Else Thalheimer

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Else Thalheimer, verh. Lewertoff (* 4. November 1898 in Köln; + am 27. Mai 1987 in Tel Aviv) war eine Kölner Musikwissenschaftlerin, die 1935 nach Palästina flüchtete


Kindheit und Ausbildung

Else Thalheimer wurde vermutlich am 4. November 1898 in Köln geboren, als Staatsangehörigkeit galt: Preussisch. Sie wuchs in der Triererstraße 16 in der Nähe des Volksgartens auf. Ihr Vater Jakob kam aus Süddeutschland, er war zunächst Händler, dann Produzent von Berufskleidung bzw. im Kriegsfall von Truppenbekleidung.

Das Elternhaus war bewusst jüdisch, jedoch in liberaler Ausprägung. „Sie hielten die Feiertage, gingen regelmäßig in die Synagoge, und wir alle fasteten am Jom Kippur. Wir Kinder taten dies freiwillig, sie hätten uns nie dazu gezwungen.“, schreibt Else Thalheimer in ihrer (ungedruckten) Autobiografie. Bei den Frauen des Hauses wurde Musik ganz groß geschrieben. Mutter Sofie soll eine hervorragende Sängerin gewesen sein, sang aber trotz Bühnenreife nur im Privathaus. Else Thalheimer erhielt schon als Kind Klavierunterricht und besuchte später das Kölner Konservatorium in der Wolfstraße. Ihre ein Jahr ältere Schwester Grete trat als Sopranistin in die Fußstapfen der Mutter. Nach dem Abitur am „Cölner Mädchengymnasium“ begann Else in Bonn ein Studium der Musikwissenschaften, Philosophie und Kunstgeschichte, das sie – unterbochen von einer kurzen Studienzeit in München - 1924 mit einer Promotion über Johanna Kinkel als Musikerin summa cum laude abschloss. Am Konservatorium belegte sie die Fächer Theorie, Partitur-Spiel und Instrumentation sowie Klavier. Bonn erwies sich als idealer Lernort für moderne Musiktheorie, die Studierenden wurden stark gefördert, fuhren mit den Dozenten zu nationalen und internationalen Musikfesten, lernten die Aufführenden kennen und verfasste bereits in wissenschaftlichen Zeitungen Artikel über die Darbietungen. Einer der prägenden Musiker der Zeit war Arnold Schönberg, den die Musikwissenschaftlerin 1925 bei einem Festival kennenlernte, ein anderer Paul Hindemith. Ihre berufliche Heimat wurde die 1921 gegründete „Kölner Gesellschaft für Neue Musik“ (KgfNM) mit Sitz in der Jülicher Straße. Hier war sie seit 1924 oder 1925 für die Programmgestaltung zuständig, sie holte u.a. Serge Prokofieff oder Kurt Weill nach Köln, sie mutete dem Publikum aber auch Alois Hába, einen frühen Vertreter der Vierteltonmusik z,u und konnte viele Künstler für Uraufführungen gewinnen. Sie selbst hielt Vorträge und beteiligte sich an einschlägigen Rundfunkgesprächen, publizierte in fremdsprachigen Magazinen. Zusammen mit Fritz J. Marcan gab Else Thalheimer 1925 das Standardwerk „Von neuer Musik“ heraus, das große Anerkennung fand. Als „großes Finale“ ihrer Arbeit für die „Kölner Gesellschaft“ bezeichnete Else Thalheimer den Vortrag, den Arnold Schönberg am 10. Februar 1933 zum Thema Stil und Gedanke oder neue und veraltete Musik hielt: „Schönberg, der es wie kein Zweiter verstand, die schwierigsten Gedanken auf die einfachste Formel zu bringen, riss die Hörer zur Begeisterung hin, der Applaus nahm kein Ende.“ Dieser Abend war ein letztes Highlight, denn für die Nationalsozialist:innen, die seit wenigen Tagen an der Macht waren, galt der Jude Schönberg als „Zerstörer der abendländischen Musik“. Auch Else Thalheimer verlor jetzt ihren Vorstandsposten. Eine neue Beschäftigung fand sie vorübergehend beim „Jüdischen Kulturbund Rhein-Ruhr“ und der von Else Falk gegründeten „Jüdischen Kunstgemeinschaft“, wo sie eine neue Musikabteilung aufbauen sollte. Zynisch kommentierte Else Thalheimer die neue Zeit: „Von nun an hatten wir unsere ‚zersetzende Tätigkeit‘ hinter den Mauern des Jüdischen Kulturbundes auszuüben.“ 1935 heiratete sie Salomon Lewertoff, mit dem sie im Vorstand der „Kölner Gesellschaft für neue Musik“ schon länger zusammengearbeitet hatte und der aus einer orthodoxen Familie stammte, was bei beiden Fremdheit auslöste. Nur kurze Zeit später entschlossen sie sich zur Auswanderung nach Palästina: „Wir packten unsere Sachen, soweit wir sie mitnehmen durften und im Dezember 1935 waren wir, in der Überzeugung, dass wir keinen tieferen Abstieg mehr in unserer alten Heimat erleiden könnten, reif für die Alija.“ Also für die Rückkehr von Juden und Jüdinnen nach Israel. Dort nannte sich ihr Mann Shlomo Baruch. Sie ließen sich in Tel Aviv nieder, wo sie sich unverzüglich an den Aufbau einer ähnlichen Musikszene machten, wie sie sie aus Deutschland kannten. Auch an der Gründung des Palestine Symphony Orchestra, dem heutigen Israel Philharmonic Orchestra, war das Ehepaar beteiligt: Else Thalheimer-Lewertoff wurde Programmberaterin und später Co-Direktorin. Die Geburt von Sohn Gad 1938, heute einer der besten Bratschisten Israels, änderte nichts an ihrem unermüdlichen musikalischen Engagement. Vorübergehend lebte die kleine Familie bei Elses Schwester in den USA, wo Else Klavierunterricht gab, Vorträge hielt und Artikel für verschiedene Zeitschriften verfasste. Kurz nach der Rückkehr nach Israel starb Salomon Lewertoff im Februar 1965 unerwartet an einem Herzanfall. Um über den Verlust des geliebten Mannes hinwegzukommen, nahm Else das Angebot ihrer Schwester an, erneut nach New Haven zu ziehen. Hier begann sie ihre Lebenserinnerungen. Doch es zog sie wieder zurück nach Israel, wo sie Mitte März 1971 eine Wohnung in Tel Aviv bezog. Hier starb Else Thalheimer am 27. Mai 1987 im Alter von 88 Jahren.


Einzelnachweise


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