Anna Schneider

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Anna Schneider geb. Röder (*12.12.1845 in Köln; † 16.4.1935[1] war eine Kölner sozialdemokratische Kämpferin für Frauenrechte und Gründerin des ersten emanzipatorischen Frauenvereins

Leben

Über die Eltern, die Kindheit und die Schulbildung von Anna Schneider ist nichts bekannt. Vermutlich wurde sie im sozialistischen Milieu sozialisiert und arbeitete zeitweilig als Dienstbotin. 1873 heiratete sie den Sozialdemokraten Ernst Schneider. Sie tritt erst 1892 als Aktivistin ans Licht der Öffentlichkeit.

Politischer Kampf Mitte des 19. Jahrhunderts

Zwar wurde in Köln 1848 Deutschlands größter lokaler Arbeiterverein gegründet, aber Frauen hatten dort kein Assoziationsrecht.[2] Der Versuch wiederum, 1848 einen emanzipatorischen Frauenklub ins Leben zu rufen, scheiterte u.a. an der Entscheidung von Mathilde Franziska Anneke, ins Exil zu gehen. Trotz der deutschlandweiten Marginalität der Frauenemanzipationsbestrebungen gab es massive Reaktionen auf die ersten Forderungen z.B. durch Anneke und Louise Otto-Peters: 1850 wurde ein bis 1908 geltendes preußisches Vereins- und Versammlungsgesetz eingeführt, das Frauen in seinem § 8 verbot, an politischen Versammlungen teilzunehmen oder sich gar zu äußern.

Frauen waren damit mit Kindern, Schülern, Lehrlingen und unmündigen Personen auf eine Stufe gestellt. Sie durften demnach in Preußen keinem Verein beitreten und bei keiner Versammlung anwesend sein, die politische Zwecke verfolgte oder über politische Themen kreiste. Sie sollten vor allem daran gehindert werden, öffentlich auf die eigene Rechtlosigkeit hinzuweisen. Taten sie es doch, wurden Frauen von der Polizei aus Versammlungen entfernt. „Vereine und einzelne Frauen wurden überwacht, Häuser durchsucht und Vereinskassen beschlagnahmt.“[3] In verschiedenen Städten Preussens, so auch in Köln, begannen Frauen den Kampf gegen diese Restriktionen, aber lange vergeblich.[4] 1877 scheiterte der Versuch eines Genossen, über die Frauenfrage diskutieren zu lassen: „Am 27.1.1877 veröffentlichte die sozialdemokratische ‚Kölner Freie Presse‘ eine Anzeige, in der eine öffentliche Volksversammlung zu dem Thema ‚Die Stellung der Frau in Staat und Gesellschaft‘ angekündigt wurde. Zur Teilnahme (…) wurden neben den freisinnigen Bürgern (d.h. Liberalen, die Verf.) vor allem die Frauen der Stadt eingeladen.“[5] Die Versammlung im Lokal eines Herrn Erkelenz in der Kämmergasse wurde mit dem Hinweis auf den § 8 untersagt.[6] Obwohl der Polizeikommissar höchstpersönlich die Beteiligung der Frauen gebilligt hätte, löste der Untergebene Luda weiterhin jede Versammlung auf, bei der Frauen teilzunehmen versuchten.[7]

Bis 1890 hatte im Deutschen Reich zudem das Sozialistengesetz (Gesetz gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie) gegolten, das die Existenz von sozialdemokratischen Vereinen und Parteien untersagt bzw. Sozialdemokrat*innen verboten hatte, sich politisch zu betätigen. Die Sozialdemokrat*innen hatten 12 Jahre lang unter dem Generalverdacht gestanden, Vaterlandsfeinde zu sein, und die Stimmung in den Behörden hatte sich Ende 1892/Anfang 1893 noch nicht stark verändert. Dennoch starteten Frauen reichsweit jetzt Arbeiterinnenselbstorganisationen. 1890 nahmen erstmals Frauen an dem Parteitag in Halle teil, 1891 wurden in Erfurt erstmals Frauenforderungen ins Parteiprogramm aufgenommen und die neue Zeitschrift Die Gleichheit ins Leben gerufen.[8]

Gründung des Frauen- und Mädchen-Bildungsvereins für Köln und Umgegend

Trotz der Versuche der Restriktionen versuchten immer wieder Frauen, diese Maßregelungen zu umgehen, so auch Anna Schneider. Im Januar 1892 platzierte sie in der offiziellen Partei-Zeitung Kölner Arbeiter-Zeitung eine Anzeige: „Mittwoch der 13. Jan 1892, Abends 8 1/2 Uhr im Lokale des Herrn Langenberg, Mühlenbach 4: Frauen-Versammlung. Tagesordnung: Gründung eines Frauen- und Mädchen-Bildungsvereins. Das provisorische Comitee.”[9] Auf die Annonce hin meldeten sich 35 Frauen und 20 Männer, um zur Vereinsgründung beizutragen. Am Ende des Abends gab Anna Schneider vom Podium der kleinen Gaststätte herab die gelungene Gründung des Frauen- und Mädchen-Bildungsvereins für Köln und Umgebung bekannt. Es handelte sich um die „erste Frauenorganisation der Kölner Arbeiterbewegung.“[10] Zugleich war es der erste nicht-konfessionelle und nicht-nationalistische Frauenverein Kölns.[11] Die Initiatorin wurde mit großer Mehrheit zur ersten Vorsitzenden gewählt. Zudem gab es eine zweite Vorsitzende , eine Schriftführerin und eine Kassiererin. Es war ein wöchentlicher Beitrag von 5 Pfennig zu zahlen. [12] Die erwähnte Satzung ist nicht erhalten. Jaitner erwähnt, laut einem Statut habe der Verein ‚die Wahrung, Förderung und Vertretung der geistigen sowie wirtschaftlichen Interessen seiner Mitglieder“ bezweckt.[13]

Fortan trafen sich erst 75, dann fast 100 Vereinsmitglieder jeden Mittwoch um 20.30 Uhr in dem Vereinslokal am Mühlenbach, nach einer Kündigung durch den Wirt im Lokal Rodenbach, schließlich bei Mebus in der Kämmergasse 18.[14] Der Verein versuchte zwar, als unpolitisch durchzugehen, aber durch die Nähe der Aktivistinnen zur SPD und ihre emanzipatorischen Forderungen war dies unrealistisch.

Der Vereinszweck sollte u.a. erreicht werden „durch wissenschaftliche und praktische Vorträge über die den Frauen und Mädchen naheliegenden Fragen, durch gegenseitige Aufklärung und Erörterungen an den Vereinstagen, durch Weitergabe und Verbreitung geeigneter Schriften und Lektüre, durch vertraulichen und geselligen Verkehr in und außer dem Verein.“[15] Seit 1879 konnten lesekundige Frauen sich anhand von August Bebels Bestseller „Die Frau und der Sozialismus“ fortbilden - das Werk hatte 1891 schon die 9. Auflage erreicht. Er postulierte die gleiche soziale Stellung der Arbeiterin und des Arbeiters, es sei die gemeinsame Ausbeutung durch das Kapital zu bekämpfen. „Allerdings unterliege die Arbeiterin noch einer besonderen Diskriminierung; sie wird generell geringer entlohnt als der Arbeiter und ist doppelt belastet in Beruf und Haushalt. Nach marxistischer Auffassung ist die Frauenfrage als in erster Linie keine Geschlechterfrage, sondern ein Problem des Klassenkampfes.“[16]


Anna Schneider leistete die meiste Arbeit, sie organisierte RednerInnen, plante Diskussionsabende und hielt selbst viele Vorträge. Sie thematisierte einerseits als Sozialdemokratin die Ausbeutung der Frau: „… der Kapitalist habe es verstanden, sie auch noch zu seinem Ausbeutungsobjekt zu machen“, trug aber eben auch als Frauenrechtlerin die Beobachtung vor, dass "die Frau die Sklavin des Mannes“ sei.[17] Insgesamt galt es, gemeinsam mit den Männern für die Verbesserung der ökonomischen (und politischen) Lage zu kämpfen.

Bildung galt als Schlüssel, Vorurteile über die soziale Minderwertigkeit und intellektuelle Minderbegabung der proletarischen Frau zu bekämpfen. Anna Schneider wollte ihre Selbständigkeit und Unabhängigkeit fördern, indem sie Vorträge und Diskussionsabende organisierte, u.a. zu Themen wie „Die Ursachen der gegenwärtigen Frauenlage“, „Über das Entstehen des Privateigentums“, „Die traurige Lage der Frau eines Arbeiters“, „Die Dienstmädchen, Slavinnen der Herrschaft“. Sie sprach sich selbstverständlich auch für ein freies Vereins- und Versammlungsrecht der Frauen aus. Die Sozialistin propagierte – auch dies in den Fußstapfen von Bebel - das Frauen-Wahlrecht und die Wählbarkeit von Frauen zu kommunalen Ehrenämtern wie z.B. zur Stadtverordneten, zu juristischen Ehrenämtern wie dem Geschworenenamt oder zur Beisitzerin im Gewerbegericht. 1893 leisteten die Vereinsfrauen aktive Wahlkampf-Unterstützung.[18] Alltagsthemen waren „Die Frau als Arzt,“, „das Athmen“ oder „das Auge und seine Krankheiten“, da sich Proletarierinnen einen Arztbesuch in der Regel nicht leisten konnten. Sodann gab es gesellige Abende mit selbst aufgeführten Theaterstücken.[19]


Ein weiteres Ziel war, Proletarierfrauen dazu zu gewinnen, die politische Arbeit der sozialistischen Ehemänner zu respektieren. „Allzu oft standen die Frauen dem politischen Engagement ihrer Männer teilnahmslos oder sogar feindlich entgegen. Daraus mußten zahlreiche persönliche Probleme entstehen, die das politische Engagement hemmen konnten.“[20] Die Rheinische Zeitung adressierte ab und zu die Arbeiterfrauen direkt: „Ihr Frauen und Mütter! Bedenkt, daß Ihr ein Verbrechen an euch selbst und an Euren Kindern begeht, wenn Ihr den Gatten und Vater von der Teilnahme an der Versammlung abzuhalten sucht, denn nur vereint werden die Arbeiter im Stande sein, ihre Lage zu verbessern. (…) Um dies zu tun , müßt Ihr dem Gatten treu zur Seite stehen (…) Lest die sozialistischen Zeitungen und unterrichtet Euch von (!) den Zielen des Sozialismus (…) Wenn immer möglich, so besucht die sozialistischen Versammlungen.“[21]

Zum 1. Mai 1892 beteiligte sich Schneider am Maiumzug und konstatierte: „Wir befolgen dasselbe Ziel wie unsere Männer – Verbesserungen und Verkürzung der Arbeitszeit.“[22] Sie wurde als vermutlich erste Frau als Vertreterin der Arbeiterinnen in die Kommission gewählt, die diese Maifeier vorbereitete.[23] Zudem wurde sie – inzwischen bekannt – zu Vorträgen auch in anderen Städten des Rheinlands und Ruhrgebiets eingeladen. 1893 war sie sogar eine von drei Kölner delegierten Parteiangehörigen, die die Organisation auf dem Parteitag in Köln vertreten durften.[24] Der Frauenverein fand häufig Erwähnung in der Rheinischen Zeitung, und auf einer Veranstaltung des Sozialdemokratischen Vereins begrüßte der Referent Grohleben, „daß in hiesiger Stadt, der Hochburg der Schwarzen, ein Frauenverein entstanden ist, der den Emanzipationskampf mit Eifer unternimmt.“[25] „Wir sollten, statt der Arbeiterinnenbewegung ein bein zu stellen, alles tun, um das Klassenbewußtsein und die Bildung des weiblichen Proletariats anzustreben, für ihre politische und gesellschaftliche Gleichberechtigung eintreten, mit deren Hülfe uns desto eher Befreiung werden wird.“[26] Dennoch kannte Schneider auch frauenfeindliche Bemerkungen durch die eigenen Parteigenossen. Jaitner konstatierte: "Zahlreiche Äußerungen auf verschiedenen Parteitagen zeigen von der Geringschätzung, die manche Männer der Arbeit der Frauen in der Partei und der Frauenbewegung insgesamt entgegenbrachten.“[27]

Zum Jahrestag der Gründung organisierten sie ein „1. Stiftungsfest“ mit Concert, Theater und Ball unter Mitwirkung des Arbeiter-Gesangvereins Lyra im Lokal Karl der Große, Aachener Straße 64.[28] Am 18.1. gab es eine Versammlung mit dem Schwerpunktvortrag: "Die gewerbliche Stellung der Frau“ durch Anna Schneider etc. .[29] Am 28. Mai 1893 hatten sie mit 400 Personen ihre vielleicht größte Veranstaltung, die das Thema „Die Rechtlosigkeit der Frauen und die Reichstagswahl“. Dabei zeigte Anna Schneider selbst die Doppelmoral auf, dass der Reichskanzler einerseits Solidarität von den deutschen Frauen für eine Militärvorlage forderte, andererseits ihnen jegliche Mitwirkungsrechte vorenthielt.[30] „Gleichzeitig wandte sie sich gegen den Militarismus und führte aus, daß gerade die Arbeiterin von den ständig wachsenden Militärausgaben betroffen sei und daß ihre Kinder später als Soldat in den Krieg ziehen müßten."[31]

Im Herbst 1893 sprach die reichsweit anerkannte Herausgeberin der Zeitschrift Die Gleichheit Clara Zetkin auf Einladung des Vereins auf einer „Öffentlichen Frauen- und Mädchen-Versammlung" („Herren haben Zutritt“)“ zum Thema: „Die Frauen des Proletariats und der Militarismus“.[32] Die Rednerin sagte u.a. „Die heutige Frau ist mehr denn je geeignet, die Frauen zu veranlassen, sich um öffentliche Angelegenheiten zu kümmern.“[33] Gerade die Arbeiterin müsse besonders gegen den Militarismus kämpfen. Steuern sollten nicht für Militärzwecke, sondern für Kulturelles (Schule, Bildung) ausgegeben werden.

Die Vereinsvorsitzende vertrat darüber hinaus erstaunlich frauenemanzipatorische Forderungen wie den Zugang von Mädchen zu höheren Lehranstalten, und Berufsmöglichkeiten als Richterin, Rechtsanwältin oder Ärztin.[34] (Das waren eigentlich Forderungen der bürgerlichen Frauenbewegung.) Ob sie Kontakte zu bürgerlichen Frauen unterhielt, die Ende 1893 ebenfalls ihren ersten Verein gründeten - den Kölner Frauen-Fortbildungsverein - ist nicht überliefert. Es gab auch Forderungen, die sich von den Bürgerlichen unterschieden: die nach der Entwicklung eines politischen Bewusstseins speziell der Arbeiterinnen.[35]


Vereinsverbot und Haft

Anna Schneider deklarierte die Versammlungen als Volksversammlung, nicht als Vereinsversammlung, und hoffte damit, den Maulkörben zu entgehen. Jede Versammlung musste angemeldet werden und wurde von protokollierenden preußischen Polizeibeamten überwacht und mitstenographiert. Es war zu erwarten, dass der Verein nicht lange würde existieren können, und es erstaunt eher, dass die Obrigkeit so lange still hielt.

Im Jahr der Gründung gab es den ersten Eklat: Ausgerechnet als die Runde ein kritisches Referat über die Ehe anhörte, kam es zur Konfrontation mit den Behörden und zum Abbruch der Debatte. Eine Referentin namens Rieger stellte einen Artikel aus der SPD-Zeitung „Neue Zeit“ zum Thema Ehe vor: Das Problem der Ehe nach Tolstoi und Fourier“.[36] „Während des Vortrags erhob sich plötzlich der überwachende Polizeikommissar und beschlagnahmte die Broschüre wegen ihres ‚unsittlichen Inhaltes‘." Er erstattete Strafanzeige gegen die Referentin und gegen Anna Schneider. Dann hatten sie einige Zeit Ruhe. Im Herbst 1893 griff der Polizeipräsident von König höchstpersönlich ein und verschärfte die Auseinandersetzung. „Da der Frauen- und Mädchen-Bildungsverein für Köln und Umgegend fortgesetzt politische Gespräche erörtert, wird der Verein aufgrund des § 8 des Vereinsgesetzes vom 11. März 1850 hiermit vorläufig geschlossen.“[37] Dennoch führten die Frauen am 4. Oktober abermals eine öffentliche Frauenversammlung durch: „Die Aufgaben der Frau und ihre Agitation“, lautete der Titel. „Dort berieten die Anwesenden, wie die sozialistische Frauenbewegung auch nach einem Verbot weitergeführt werden könne.“[38]

Sie wählten die Strategie der Einsetzung einer Vertrauensperson Frau Willmann, damit der Kontakt im Falle der Verhaftung von A. Schneider nicht abreiße. Auch fand zu diesem Zeitpunkt – ganz provokativ - die große Frauenversammlung mit Clara Zetkin statt (s.o.). Im November 1893 fand eine Gerichtsverhandlung vor dem Königlichen Schöffengericht statt. Alle 13 Vorstandsmitglieder wurden wegen Vergehens gegen die §§ 8 und 16, Abs. 1 des Vereinsgesetzes angeklagt. Es seien vor allem sozialdemokratische RednerInnen zu Wort gekommen. Auch wenn die Mitglieder vorsichtig gewesen seien, sei er doch als politischer Verein einzustufen. Es wurde eine Geldstrafe von 15 Mark oder einem Tag Haft ausgesprochen, für alle 13.[39]

Anna Schneider und ihre Mitstreiterinnen nahmen das Urteil nicht an. Die Frauen kündigten an, sich in der Zeit der Berufung nicht zu unterwerfen. Am 3.3.1894 fand eine weitere Gerichtsanhörung statt, diesmal vor der Strafkammer II des Königlichen Landgerichts. Der Verein wurde nun als Vorstufe der Sozialdemokratie 'gelabelt'. Acht der Vorstandsfrauen wurden freigesprochen, Anna Schneider konnte zwischen 30 Mark Geldstrafe oder 6 Tage Haft wählen, die anderen bekamen geringere Strafen. Sie nahmen das Urteil wieder nicht an, sondern legten abermals Revision ein.

Die Vertrauensfrau Willmann schaffte es, weitere Frauenabende zu organsieren, u. a. am 14.4.1894 zum Thema "Wirtschaftliche Lage der hisiegen erwerbsthätigen Frauen und Mädchen und wie wird dieselbe geändert?“ Trotz des Verfahrens kamen über 50 Personen.

Im Mai 1894 beschlossen sie eine Resolution zum Thema Benachteiligung der Frauen am öffentlichen Leben … 80 Teilnehmende stimmten mit ab. Sie würden weiterhin „durch öffentliche Versammlungen sowie durch alle zu Gebote stehenden Mittel Aufklärung über die Frauenbewegung (…) fördern.“[40]

Im gleichen Monat wurde die Revision vor dem Königlichen Kammergericht endgültig zurückgewiesen und der Frauen- und Mädchen-Bildungsvereins war - bereits zwei Jahre nach der Gründungsinitiative - am Ende. Ein weiterer rechtlicher Widerspruch wurde abgelehnt. Danach legt sich der Nebel der Geschichte auch wieder über Anna Schneider.


Anna Schneider starb 1935 als Witwe im Alter von 89 Jahren im Kölner Bürgerhospital.

Anna Schneider, Arbeiterin oder Proletariergattin, hat den ersten Arbeiterinnenverein vermutlich zur Verbesserung der eigenen Situation gegründet. Öffentliche Ehrungen bekam sie dafür nicht. Auch in der Kölner SPD wurde sie lange Zeit vergessen - es ist kein Foto von ihr überliefert. Im Jahr 2005 wurde jedoch auf Vorschlag des Kölner Frauengeschichtsvereins und mit Unterstützung der Grünen eine Hauptschneise durch das neue schicke Rheinauhafen-Viertel nach ihr benannt: Anna-Schneider-Steig; am 16.7.2020 erhielt dieses Strassennamenschild als erstes im Rheinauhafen ein erläuterndes Zusatzschild.

Literatur über Anna Schneider und den Frauen- und Mädchen-Bildungsvereins für Köln und Umgegend

  • Angela Jaitner: Die Anfänge der sozialistischen Frauenbewegung am Beispiel des Kölner Frauen- und Mädchen-Bildungsvereins (1892-1894), in: Reinhold Billstein (Hg.): Das andere Köln. Demokratische Traditionen seit der Französischen Revolution, Köln Pahl-Rugenstein, 1979., S. 156-169.
  • Gerhard Brunn: Vom politischen Kellerkind zur Mehrheitspartei. Die SPD in Köln 1875-1914, in: Gerhard Brunn (Hg.) Sozialdemokratie in Köln. Ein Beitrag zur Stadt- und Parteiengeschichte, Köln Emons, 1986, S. 49-82.
  • Werner Jung: Das neuzeitliche Köln, Köln Bachem 2004.
  • Helga Bargel: Der Weg in die organisierte Frauenbewegung, in: Kölner Frauengeschichtsverein [Hrsg.]: 10 Uhr pünktlich Gürzenich. Hundert Jahre bewegte Frauen in Köln. Zur Geschichte der Organisationen und Vereine, Münster Agenda, 1995 (=Agenda Frauen 5), S. 12-21.
  • Günter Bers/Michael Köhler: Die sozialdemokratische Arbeiterbewegung im Kölner Raum 1890-1895, Köln 1976.
  • Rüdiger Schünemann-Steffen: Kölner Straßennamen-Lexikon. Jörg-Rüshü-Selbstverlag, Köln 2020 (3. Auflage).


weblinks


Einzelnachweise

  1. LAV NRW R Personenstandsregister; Sterbeurkunde Nr. 236 vom 17. April 1935, Standesamt Köln I. laut wikipedia
  2. Die Gründung erfolgte in der Gaststätte „Im Kranz“ des Bierbrauers Peter Simon in der Mühlengasse 7 am 13.04.1848, vgl. Werner Jung: Das neuzeitliche Köln, Köln Bachem 2004, S. 129 f. Der Ort lag benachbart zur späteren Gründung von Anna Schneider.
  3. Helga Bargel: Der Weg in die organisierte Frauenbewegung, in: Kölner Frauengeschichtsverein [Hrsg.]: 10 Uhr pünktlich Gürzenich. Hundert Jahre bewegte Frauen in Köln. Zur Geschichte der Organisationen und Vereine, Münster Agenda, 1995 (=Agenda Frauen ; 5), S. 12-21. Vgl. Günter Bers/Michael Köhler: Die sozialdemokratische Arbeiterbewegung im Kölner Raum 1890-1895, Köln 1976, besonders S. 80. Darin u.a. der Geheimbericht des Kölner Regierungspräsidenten an den Koblenzer Oberpräsidenten, betreffend die ‚socialdemokratische Bewegung und sonstige Vorgänge auf socialem Gebiet‘, vom 5.2.1892, S. 80
  4. Vgl. Irene Franken: „Lieb Vaterland kannst ruhig sein! Fest steht die Polizei am Rhein!“ Das preußische Vereins- und Versammlungsgesetz um die Jahrhundertwende in Köln, in: Kölner Frauengeschichtsverein [Hrsg.]: 10 Uhr pünktlich Gürzenich. Hundert Jahre bewegte Frauen in Köln. Zur Geschichte der Organisationen und Vereine, Münster Agenda, 1995 (=Agenda Frauen ; 5), S. 55-62.
  5. Angela Jaitner: Die Anfänge der sozialistischen Frauenbewegung am Beispiel des Kölner Frauen- und Mädchen-Bildungsvereins (1892-1894), in: Reinhold Billstein (Hrsg.) Das andere Köln. Demokratische Traditionen seit der Französischen Revolution, Köln Pahl-Rugenstein, 1979., S. 156-168, hier S. 157. Jaitner hat die lokalen Presseorgane der SPD ausgewertet: Kölner Freie Presse, Kölner Arbeiter-Zeitung, Rheinische Zeitung sowie die Geheimberichte des Kölner Regierungspräsidenten herangezogen. Vgl. S. 159
  6. Der Trick, die Veranstaltung als Volksversammlung und damit nicht als Vereinsversammlung zu etikettieren zog zunächst nicht, dann gab der Kölner Polizeipräsident mit dem Hinweis auf die Praxis in Berlin nach und duldete sie. „Nach dieser Verfügung (…) glaubten wir nun allen Plackereien mit in dieser Beziehung gesetzesunkundigen Polizisten enthoben zu sein. Doch der Mensch denkt und der Polizeikommissar lenkt.“ NN, in: Kölner Freie Presse vom 12.5.1877, zit. nach Jaitner, S. 158. Es meuterten jedoch einige Kölner Polizisten und so wurde Frauen der Besuch wieder verwehrt:… es „verlangter der überwachende Polizeikommissar Luda (…) die Entfernung der Frauen“ (ebenda).
  7. Vgl. Kölner Freie Presse vom 6.4.1877 und Jaitner, S. 158.
  8. Vgl. Jaitner: Die Anfänge der sozialistischen Frauenbewegung, S. 1567.
  9. zit. nach Jaitner: Die Anfänge der sozialistischen Frauenbewegung, S. 156. Das Lokal hieß auch Jägerhof.
  10. Jaitner, S. 156.
  11. Zuvor hatte sich der Vaterländische Frauenverein, Ortsgruppe Köln gegründet, der jedoch keine emanzipatorischen, sondern allein karitative und militaristische Zwecke verfolgte, vgl. Helga Bargel: Der Weg in die organisierte Frauenbewegung.
  12. vgl. Jaitner, S. 158.
  13. Jaitner, S. 159.
  14. Die Frauen hatten demnach immer größere Probleme, einen Wirt zu finden, der die Anwesenheit der Polizei tolerierte. Anscheinend waren die Frauen auch nicht an das nahe gelegene Volkshaus, bis 1933 Ort der freien Gewerkschaften und der SPD, angedockt. Die Zahl sank unter den Restriktionen auf ca 35, weiterhin waren ca. 60% der Anwesenden Frauen.
  15. Jaitner, S. 159 zitiert hier nach dem Geheimbericht vom 3.3.1892.
  16. Jaitner, S. 156.
  17. Rheinische Zeitung, 12.9. 1893, zit. nach Jaitner, S. 163. Eine Befreiung der Frau allein lehnte der Verein ab, diese sei nur in der Zusammenarbeit mit den Männern zu erlangen, vgl. Rheinische Zeitung, 12.8. 1893, zit. nach Jaitner, S. 163/4. Fand aber ein Referent Zustimmung, wenn er vortrug „Die Frauenbewegung sei ‚keine besondere Bewegung für sich, sondern es ist nur die gleiche Erhebung von Mann und Weib, um sich aus den Fesseln des Kapitalismus zu befreien.'“ ? Ebenda.
  18. vgl. Jaitner, S. 160 mit Verweis auf Artikel in der Rheinischen Zeitung.
  19. vgl. Jaitner, S. 164.
  20. Jaitner, S. 163.
  21. Rheinische Zeitung vom 19.10.1892, zit. nach Jaitner, S. 164.
  22. Geheimbericht vom 2.4.1892, S. 97, zit. nach Jaitner, S. 162.
  23. vgl. Geheimbericht vom 2.4.1892, S. 97, vgl. Jaitner, S. 168, Anm. 18.
  24. Geheimbericht vom 6.11.1892, S. 205, vgl. Jaitner, S. 162.
  25. Geheimbericht vom 26.8.1892 S. 94, zit. nach Jaitner, S. 162.
  26. Rheinische Zeitung vom 22.6.1892, zit. nach Jaitner, S. 162.
  27. Jaitner, S. 162.
  28. vgl. Anzeige vom 14.1.1893 in Jaitner, S. 161.
  29. vgl. ebenda.
  30. vgl. Jaitner, S. 160.
  31. vgl. Jaitner, S. 160.
  32. vgl. Anzeige vom 28.10.1893 in Jaitner, S. 161.
  33. Rheinische Zeitung vom 2.11.1893. zit. nach Jaitner, S. 166; vgl. Geheimbericht vom 2.12.1893, S. 214.
  34. vgl. Jaitner, S. 160, vgl. Rheinische Zeitung vom 1.6.1893.
  35. vgl. Jaitner, S. 159, vgl. Geheimbericht vom 2.7.1893, S. 1818 f. In einem Beschluss hieß es: „daß nur die socialdemokratische Partei für die Emancipation der Arbeiterin und Gleichberechtigung der Frauen eintrete.“Geheimbericht vom 2.7.1893, zit. nach Jaitner, S. 162.
  36. Tolstoi war bekennender Ehe- und Frauenfeind: „Das Wesen der Frau trage ein Virus in sich, das aus der Ehe ein "ekelhaftes" und "beschämendes" Unternehmen werden lasse. Den willenlos gemachten Mann infiziere sie mit dem Gift des Sexus.“, analysierte Gisela Wysocki aus seinen Schridften, in DIE ZEIT Nr. 47/18. November 2010. Fourier wiederum lehnte eine feste Zweierbeziehung ab, da die Ausschließlichkeit einer monogamen Ehe mit Liebe nicht zu vereinbaren sei. Die lebenslängliche Treue stehe im Widerspruch zu den Bedürfnissen der Menschen, usw. Vgl. Geheimbericht vom 26.8.1892, S. 118, Jaitner, S. 165.
  37. Rheinische Zeitung vom 21.10.1893, zit. nach Jaitner, S. 165.
  38. Jaitner, S. 165.
  39. Vgl. Jaitner, S. 166.
  40. Jaitner, S. 165.

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