Sozialistisch-Feministische Aktion / SOFA: Unterschied zwischen den Versionen

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SOFA (* 1973) war ein Frauengruppe, die sich aus dem Frauenforum herauslöste.
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SOFA (* 1972) war ein Frauengruppe, die sich aus dem Frauenforum herauslöste.
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Die Organisation hing der These von der der Frauenfrage als Nebenwiderspruch an und wurde dafür von den Radikalfeministinnen kritisiert oder marginalsiert.
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Ursula Linnhoff erinnert sich
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"Seit 1974 und mit Erledigung des verbindenden Problems der § 218-Sache durch das Bundesverfassungsgerichtsurteil, differenzierten sich die politischen Strömungen in der Frauenbewegung immer mehr. Damals begannen zunehmend Mini-Fehden unter den Gruppen und den einzelnen Frauen, die von Anfang an Meinungsführerinnen gewesen waren. Jetzt mussten viele von uns die Hoffnung auf die allumfassende Frauensolidarität, auf die wir so gebaut hatten, von dessen Fluidum auf dem großen Bundeskongreß 1972 in Frankfurt, den wir fast orgiastisch empfunden hatten, wir so berauscht gewesen waren, fahren lassen. Viel Enthusiasmus war nicht mehr, nicht mehr bei mir, nicht mehr bei uns, die wir alle sozialistisch-feministische Minderheitenpositionen innerhalb der Frauenbewegung einnahmen,                  Dann kam auch die Zeit, da sich persönliche und öffentliche Verleumdungen unter Frauen entwickelten. Eine Tatsache, die mich damals furchtbar erschreckt hat, die heute leider schon zum täglichen Brot der Frauenbewegung geworden ist, über die ich mich persönlich nicht mehr gräme, über die aber die wenigsten Frauen auch heute noch aus lauter Harmoniedenken offen sprechen können.
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Dann kam die Zeit, da wurde strukturiertes Denken als autoritär und männlich diffamiert. Da wurden sozialistische Feministinnen zum tausendsten Mal hämisch belächelt. Manche Frauen verwiesen uns genauso wie die Rechten darauf, wir sollten doch in die DDR gehen und uns die Realität der Frauen dort ansehen. Als ob wir um die Realität des Lebens der Frauen unter Männern in der DDR nicht selbst gewußt hätten. Doch, wie gesagt, rational diskutieren war und ist eben oft gar nicht mehr möglich.“ […]
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Ich verstehe das nicht.“<ref>Vgl. Ursula Linnhoff: Ängste einer sozialistischen Feministin vor dem Faschismus, in: e-f-a, 1977, H. 13, S. 4-6, hier S. 4.</ref>
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Sie habe Angst vor der "Vermeidung von Reflexion“.
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Sie stimmte Michael Schneider zu, der in einem Aufsatz bei den GenossInnen eine Veränderung der „politische Verstandeskultur“ in „die subjektivistische  Sentimentalität“ beobachtet hatte.<ref>Michel Schneider, Kursbuch 49.</ref>
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„Es mag etwas Richtiges daran sein, daß nicht nur ‚die verlorenen Söhne der APO’ um das verlorene politische Paradies trauern. Vielleicht trauern auch die Töchter der Bewegung einem Schwesternhorden-Paradies nach und auch viele von ihnen spucken ‚die bitteren Früchte , die sie vom vulgärmarxistischen, dazu noch patriarchalischen Baum der Erkenntnis gegessen haben’, angewidert aus.“
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Der Frauenbewegung sei mit Vorwürfen gegen die linken Männer nicht geholfen.
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„Wenn ich bei der einzelnen Frau nachbohre, gesteht doch jede bald ein, daß antipatriarchalische Ziele im patriarchalischen Kapitalismus nicht zu verwirklichen sind. Im Kommunismus sicherlich auch nicht. Jedoch welche gesellschaftstheoretischen Ansätze gibt es heute schon, wenn man die marxistischen Ansätze in Bausch und Bogen verneint, die uns auch nur ansatzweise Mittel gesellschaftsverändernder Strategien an die Hand geben.“<ref>S. 4-5.</ref>
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Sie räsoniert:
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„… könnte die Frauenbewegung nicht versuchen, marxistische Analysen zusammen mit Gedankengängen fortschrittlicher Psychoanalyse, durch die Gewähr für enttabuisierte und herrschaftsfreie Emotionalität und Sexualität gegeben werden, weiterzuführen und n.c.s. die Hoffnung auf eine wirtschaftliche, kulturelle und sexuelle Revolution, die auch die Männer erfassen müßte, aufrecht zu erhalten? In jedem Falle, sozialistische Feministinnen, eine wie starke Minderheit sie augenblicklich auch in der Frauenbewegung sein mögen, sehen ihre Aufgaben in der Frauenbewegung weiterhin so, sehen sie frauenspezifisch und gesamtgesellschaftlich.
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Sie wollen nicht, ich will nicht auf Fraueninseln leben, denn, ebenso wenig will ich in wiederbelebten Matriarchaten existieren, wie ich in Patriarchaten leben will. Man kann den sozialistischen Feministinnen vorwerfen, sie hätten bis heute nicht einmal den Ansatz einer Theorie erarbeitet, wo sie es doch immer seien, die nach einer Theorie schrieen (sic).  Es geht hier nicht darum, sie zu entschuldigen. Wenn es diese Theorie bis heute noch nicht gibt, so gibt es sicher individuelle und gesellschaftliche Gründe dafür, daß sie noch nicht begonnen wurde. Doch sozialistische Feministinnen wissen auch, daß sie theoretisch arbeiten müßten einen Sozialismusbegriff zu entwickeln, der Feministinnen befriedigen kann, und von dem her eine neue Linke, feministische Gesellschaftstheorie werden könnte.“ S. 5
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Sie entwickelt weitere Gedanken, wie feministisch-sozialistische Theorie im ‚linken’ Gedankengut beheimatet sei, bespricht u.a. Marcuse  und Bornemann, der abgelehnt wird.  Sie konzipierte sodann ein 14-Punkte-Programm für eine sozialistisch-feministische Gesellschaftstheorie. (S. 6-7)
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==weblinks ==
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* https://www.zeit.de/1975/13/zwischen-kampf-und-krampf
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https://www.zeit.de/1974/14/mit-schwesterlichen-gruessen/komplettansicht
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https://www.hist.unibe.ch/e11168/e44569/e45806/e88706/schulz_provokation.pdf
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* https://www.rosalux.de/fileadmin/rls_uploads/pdfs/Manuskripte/Manuskripte_83.pdf S. 76 ff
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KVZ 17.04.1974: https://www.mao-projekt.de/BRD/ORG/KBW/KVZ/KVZ_1974_08.shtml
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* https://arsfemina.de/keiner-schiebt-uns-weg/die-neue-frauenbewegung-der-bundesrepublik Kapitel D

Aktuelle Version vom 13. Dezember 2019, 16:30 Uhr

SOFA (* 1972) war ein Frauengruppe, die sich aus dem Frauenforum herauslöste.

Die Organisation hing der These von der der Frauenfrage als Nebenwiderspruch an und wurde dafür von den Radikalfeministinnen kritisiert oder marginalsiert.

Ursula Linnhoff erinnert sich "Seit 1974 und mit Erledigung des verbindenden Problems der § 218-Sache durch das Bundesverfassungsgerichtsurteil, differenzierten sich die politischen Strömungen in der Frauenbewegung immer mehr. Damals begannen zunehmend Mini-Fehden unter den Gruppen und den einzelnen Frauen, die von Anfang an Meinungsführerinnen gewesen waren. Jetzt mussten viele von uns die Hoffnung auf die allumfassende Frauensolidarität, auf die wir so gebaut hatten, von dessen Fluidum auf dem großen Bundeskongreß 1972 in Frankfurt, den wir fast orgiastisch empfunden hatten, wir so berauscht gewesen waren, fahren lassen. Viel Enthusiasmus war nicht mehr, nicht mehr bei mir, nicht mehr bei uns, die wir alle sozialistisch-feministische Minderheitenpositionen innerhalb der Frauenbewegung einnahmen, Dann kam auch die Zeit, da sich persönliche und öffentliche Verleumdungen unter Frauen entwickelten. Eine Tatsache, die mich damals furchtbar erschreckt hat, die heute leider schon zum täglichen Brot der Frauenbewegung geworden ist, über die ich mich persönlich nicht mehr gräme, über die aber die wenigsten Frauen auch heute noch aus lauter Harmoniedenken offen sprechen können. Dann kam die Zeit, da wurde strukturiertes Denken als autoritär und männlich diffamiert. Da wurden sozialistische Feministinnen zum tausendsten Mal hämisch belächelt. Manche Frauen verwiesen uns genauso wie die Rechten darauf, wir sollten doch in die DDR gehen und uns die Realität der Frauen dort ansehen. Als ob wir um die Realität des Lebens der Frauen unter Männern in der DDR nicht selbst gewußt hätten. Doch, wie gesagt, rational diskutieren war und ist eben oft gar nicht mehr möglich.“ […] Ich verstehe das nicht.“[1]

Sie habe Angst vor der "Vermeidung von Reflexion“. Sie stimmte Michael Schneider zu, der in einem Aufsatz bei den GenossInnen eine Veränderung der „politische Verstandeskultur“ in „die subjektivistische Sentimentalität“ beobachtet hatte.[2]

„Es mag etwas Richtiges daran sein, daß nicht nur ‚die verlorenen Söhne der APO’ um das verlorene politische Paradies trauern. Vielleicht trauern auch die Töchter der Bewegung einem Schwesternhorden-Paradies nach und auch viele von ihnen spucken ‚die bitteren Früchte , die sie vom vulgärmarxistischen, dazu noch patriarchalischen Baum der Erkenntnis gegessen haben’, angewidert aus.“

Der Frauenbewegung sei mit Vorwürfen gegen die linken Männer nicht geholfen.

„Wenn ich bei der einzelnen Frau nachbohre, gesteht doch jede bald ein, daß antipatriarchalische Ziele im patriarchalischen Kapitalismus nicht zu verwirklichen sind. Im Kommunismus sicherlich auch nicht. Jedoch welche gesellschaftstheoretischen Ansätze gibt es heute schon, wenn man die marxistischen Ansätze in Bausch und Bogen verneint, die uns auch nur ansatzweise Mittel gesellschaftsverändernder Strategien an die Hand geben.“[3]

Sie räsoniert:

„… könnte die Frauenbewegung nicht versuchen, marxistische Analysen zusammen mit Gedankengängen fortschrittlicher Psychoanalyse, durch die Gewähr für enttabuisierte und herrschaftsfreie Emotionalität und Sexualität gegeben werden, weiterzuführen und n.c.s. die Hoffnung auf eine wirtschaftliche, kulturelle und sexuelle Revolution, die auch die Männer erfassen müßte, aufrecht zu erhalten? In jedem Falle, sozialistische Feministinnen, eine wie starke Minderheit sie augenblicklich auch in der Frauenbewegung sein mögen, sehen ihre Aufgaben in der Frauenbewegung weiterhin so, sehen sie frauenspezifisch und gesamtgesellschaftlich.

Sie wollen nicht, ich will nicht auf Fraueninseln leben, denn, ebenso wenig will ich in wiederbelebten Matriarchaten existieren, wie ich in Patriarchaten leben will. Man kann den sozialistischen Feministinnen vorwerfen, sie hätten bis heute nicht einmal den Ansatz einer Theorie erarbeitet, wo sie es doch immer seien, die nach einer Theorie schrieen (sic). Es geht hier nicht darum, sie zu entschuldigen. Wenn es diese Theorie bis heute noch nicht gibt, so gibt es sicher individuelle und gesellschaftliche Gründe dafür, daß sie noch nicht begonnen wurde. Doch sozialistische Feministinnen wissen auch, daß sie theoretisch arbeiten müßten einen Sozialismusbegriff zu entwickeln, der Feministinnen befriedigen kann, und von dem her eine neue Linke, feministische Gesellschaftstheorie werden könnte.“ S. 5

Sie entwickelt weitere Gedanken, wie feministisch-sozialistische Theorie im ‚linken’ Gedankengut beheimatet sei, bespricht u.a. Marcuse und Bornemann, der abgelehnt wird. Sie konzipierte sodann ein 14-Punkte-Programm für eine sozialistisch-feministische Gesellschaftstheorie. (S. 6-7)

weblinks

https://www.zeit.de/1974/14/mit-schwesterlichen-gruessen/komplettansicht https://www.hist.unibe.ch/e11168/e44569/e45806/e88706/schulz_provokation.pdf

KVZ 17.04.1974: https://www.mao-projekt.de/BRD/ORG/KBW/KVZ/KVZ_1974_08.shtml

  • Vgl. Ursula Linnhoff: Ängste einer sozialistischen Feministin vor dem Faschismus, in: e-f-a, 1977, H. 13, S. 4-6, hier S. 4.
  • Michel Schneider, Kursbuch 49.
  • S. 4-5.