Martha Bauer

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Martha Bauer, geb. Mondschein, auch Mondschein de Bauer (* 16. Januar 1915 in Kassel; † 20. Mai 2011 in Due West, South Carolina, USA) war eine jüdische Krankenschwester am Israelitischen Asyl für Kranke und Alterschwache in Köln, sie konnte sich über England in ein Wohn- und Arbeitsprojekt für Juden/Jüdinnen in die Dominikanische Republik flüchten.

Kindheit in Deutschland und Belgien

Martha Mondschein, Tochter von Charlotte (geb. Sommer) und Jakob Mondschein, wurde von verschiedenen Verwandten erzogen, da die Eltern sich hatten scheiden lassen. Sie war die jüngste von drei Kindern, mit ihrer älteren Schwester Claire teilte sie später das Exil.[1]. Einen Teil der Kindheit verbrachte sie in Brüssel/Belgien. Die Verwandten gehörten unterschiedlichen Richtungen des Judentums an, sie selbst versuchte zwei Jahre lang orthodox zu leben, gab diese Lebensweise aber wieder auf.

Laut einem Interview wollte sie Krankenschwester werden, seit sie vier Jahre alt war.[2] Mit acht Jahren zog sie nach Köln, besuchte hier eine katholische Volksschule. Sie nahm schon als Kind eine Verachtung von Pol*innen wahr und damit unterschiedliche Wertigkeiten von Menschen. Da sie nicht von Tante und Onkel adoptiert werden wollte, ging sie zu ihrer Mutter nach Kassel zurück. Schon vor 1933 war sie in Kassel mit Antisemitismus konfrontiert, als sie einmal ihrem Job nachging, in einem Kaufhaus Schaufenster zu dekorieren. Eine Tante warnte schon früh vor den Nazis, aber niemand zog zu dieser frühen Zeit Konsequenzen.[3] Sie selbst war sich der Veränderungen im Land sehr bewusst und befürchtete, dass Hitler/der Staat einen Krieg verursachen würden.

Berufsausbildung und Arbeit am Israelitischen Asyl

Martha Mondschein dachte zunächst an eine Auswanderung nach Palästina und erlernte Grundlagen des Gärtnerns.[4] Sie hat sich dann aber für den Beruf der Krankenschwester entschieden und kam mit 20 Jahren nach Köln, um eine Ausbildung am Israelitischen Asyl für Kranke und Altersschwache zu absolvieren. Diese Ausbildung wählte sie auch mit dem Hinblick auf eine mögliche Auswanderung. Zu der Zeit war es für jüdische Mädchen nicht leicht, eine Berufsausbildung zu erlangen, da ihr Umfeld bevorzugte, dass jüdische Mädchen ihrem 'Lebenszweck' folgen und in einer früh geschlossenen Ehe die Fürsorge für die eigene Familie übernehmen. Ehrenamtliche Wohltätigkeit war gerade noch akzeptabel. Seit der Jahrhundertwende gab es jedoch eine wachsende Zahl alleinstehender jüdischer Frauen, das lockerte die Ansichten. Spätestens nach 1933 wurde von der Kölner Synagogengemeinde empfohlen, eine Ausbildung an der Kölner Einrichtung zu machen. Die Ausbildung und Beschäftigung jüdischer Krankenpflegerinnen organisierte seit 1899 der [Verein für jüdische Krankenpflegerinnen zu Köln]; im Unterschied zu einer katholischen Kongregation können sie jederzeit die Gemeinschaft wieder verlassen. Der Unterricht durch die Ärzte des Asyls war anspruchsvoll. An dem beliebten Krankenhaus lernte sie für zwei Jahre, wurde dann bald OP-Schwester. Bereits nach einem Jahr legte sie das staatliche Krankenpflegeexamen ab und wurde in die Schwesternschaft aufgenommen, nun durfte sie die schwarze Schwesterntracht mit der Vereinsbrosche tragen. Nach zwei Jahren wurde sie OP-Schwester, eine besondere Anerkennung.

Bei Martha Mondscheins Eintritt in das Hospital waren bereits die Entlassungen von Juden und Jüdinnen aus dem öffentlichen Dienst und somit auch aus den nichtjüdischen Kölner Krankenhäusern erfolgt. Nichtjüdischen Pflegepersonen war wiederum die Arbeit an jüdischen Einrichtungen nicht mehr gestattet. Somit stieg der Bedarf an jüdischen Pflegerinnen an. Die antisemitischen Maßnahmen im Gesundheitswesen wirkten sich massiv aus, die Belegungszahlen gingen um die Hälfte zurück. Vor allem die nichtjüdische Klientel blieb aus, sei es auch Angst oder antisemitischer Ideologie. Daher gab es mehrheitlich jüdische Patient*innen zu betreuen. Ab 1938 galt dann: ‘Juden dürfen die Krankenpflege nur an Juden oder in jüdischen Anstalten berufsmäßig ausüben.‘“[5] Im November 1938 betreuten sie im Krankenhaus die verletzten Männer, die beim Pogrom von Nazis verletzt worden waren. Im Oktober 1939 wurde der [Verein für jüdische Krankenpflegerinnen zu Köln] aufgelöst und „durch ‚Verfügung des Chefs der Sicherheitspolizei und des SD‘ in die Reichsvertretung eingegliedert.[6]

Exil

Martha Mondschein entschied sich im April 1939, nach England zu emigrieren, dort fehlten 'Nurses'. Sie arbeitete in Margate bei Dover, - während des Kampfes um Dünkirchen hatte sie viele Verletzte von der Front zu versorgen.[7]. Sie arbeitete hier, bis sie als feindliche Deutsche interniert wurde.[8] Im Mai 1940 traf sie die Entscheidung, in die Dominikanische Republik zu emigrieren. Der Diktator Rafael Trujillo hatte, um sein Image aufzupolieren, 1938 bei der Konferenz von Évian angeboten, 100.000 verfolgte Juden und Jüdinnen aufzunehmen. Das US-amerikanische Jewish Joint Distribution Commitee, laut Kaplan eine philantropische Organisation, ergriff die Initiative und gründete die Dominican Republic Settlement Association, kurz DORSA.[9]. In der Kooperative Sosúa, einer Bananenplantage, sollten sie Landwirtschaft betreiben, was aber fast kaum jemand beherrschte. Üblicherweise wurden nur Männer oder verheiratete Frauen angenommen, aber sie schaffte es, zusammen mit ihrer noch in Deutschland lebenden und damit hoch gefährdeten Mutter als zwei von 729 Geflüchteten einzuwandern; Grund war ihre vorzügliche Ausbildung.[10]

Ihre Ausbildung ließ sie auch den einheimischen Bewohner*innen angedeihen, sie bot z.B. Schwangerschaftsgymnastik an und blieb in der Regel zur weiteren Unterstützung eine Woche bei Mutter und Kind. Auch bildete sie neue Fachkräfte aus. laut einem Interview machte sie sich dabei mit ihren deutschen Hygienestandards unbeliebt.[11]

Sie lernte bald ihren zukünftigen Mann kennen, Felix Bauer (1916 Wien - Due West, South Carolina 2006), den sie als Malaria-Patienten pflegte, dieser war ein künstlerisches Multitalent. 1943 heiratete das Paar. Dabei scherzte er, er würde sie wegen des Geldes heiraten, denn Martha Mondschein hatte (mit 30 Dollar im Monat) den bestdotierten Job im Dorf.[12] Sohn Boris kam 1945 zur Welt, Linda 1949 - bei ihrer Geburt lebte das Paar schon in South Carolina, weil der Ehemann eine Stelle als Music and Art Professor am Erskine College angeboten bekommen hatte. 1991 besuchte Martha Bauer im Rahmen von Wiedergutmachungsangelegenheiten noch einmal Köln und gab dem NS-Dokumentationszentrum ein Interview. Sie hat den Besuch als sehr ambivalent empfunden.

Literatur

  • Becker-Jákli, Barbara: Das jüdische Krankenhaus in Köln. Die Geschichte des Israelischen Asyls für Kranke und Altersschwache 1869-1945, Köln 2004.
  • Steppe, Hilde: „… den Kranken zum Troste und dem Judenthum zur Ehre …“. Zur Geschichte der jüdischen Krankenpflege in Deutschland, Frankfurt/Main 1997.
  • Kaplan, Marion A.: „Did you bring any girls?“ Gender Imbalance in a Jewish Refugee Settlement: Sosúa, the Dominican Republic, 1940-1945, in: Kaplan, Marion A ; Moore, Deborah Dash (Hg.): Gender and Jewish History, Indiana University Press, Bloomington and Indianapolis, 2011.


weblinks zu Martha und Felix Bauer[13]

Einzelnachweise

  1. zu den Lebensdaten: vgl. Becker-Jákli, Barbara: Das jüdische Krankenhaus in Köln. Die Geschichte des Israelischen Asyls für Kranke und Altersschwache 1869-1945, Köln 2004; vgl. http://collections.ushmm.org/search/catalog/irn507341. bzw. die Zusammenfassung in collections.ushmm.org/oh_findingaids/RG-50.166.0003_tcn_en.pdf. 19.08.2021; vgl. Kaplan, Marion A.: „Did you bring any girls?“ Gender Imbalance in a Jewish Refugee Settlement: Sosúa, the Dominican Republic, 1940-1945, in: Kaplan, Marion A ; Moore, Deborah Dash (Hg.): Gender and Jewish History, Indiana University Press, Bloomington and Indianapolis, 2011; vgl. https://www.findagrave.com/memorial/110098888/martha-bauer.
  2. vgl. die Zusammenfassung in collections.ushmm.org/oh_findingaids/RG-50.166.0003_tcn_en.pdf.
  3. vgf. collections.ushmm.org/oh_findingaids/RG-50.166.0003_tcn_en.pdf.
  4. vgl. Kaplan; vgl. Becker-Jákli, Barbara.
  5. Becker-Jákli, Barbara.
  6. vgl. Becker-Jákli, Barbara: Das jüdische Krankenhaus in Köln. Die Geschichte des Israelischen Asyls für Kranke und Altersschwache 1869-1945, Köln 2004.
  7. Kaplan, Marion A.: „Did you bring any girls?“ Gender Imbalance in a Jewish Refugee Settlement: Sosúa, the Dominican Republic, 1940-1945.
  8. vgl. Becker-Jákli, Barbara: Das jüdische Krankenhaus in Köln. Die Geschichte des Israelischen Asyls für Kranke und Altersschwache 1869-1945, Köln 2004.
  9. Kaplan, Marion A., S. 104.
  10. ebenda. Laut dem erstgenannten Interview scheint die Mutter direkt in die USA ausgewandert zu sein.
  11. Kaplan, Marion A.: „Did you bring any girls?“ Gender Imbalance in a Jewish Refugee Settlement: Sosúa, the Dominican Republic, 1940-1945, S. 111.
  12. ebenda, Interview: USAMM, RG-50.166*0002.
  13. (alle zuletzt angesehen: 19.08.2921


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