Käthe Schlechter-Bonnesen: Unterschied zwischen den Versionen

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FrauenGeschichtsWiki ist ein Projekt des [[Kölner Frauengeschichtsverein]] e.V. Viele Informationen stammen aus unserem Vereinsarchiv. Zu dieser Gewerkschafterin hat Dr. Fritz Bilz Informatioen beigesteuert. Wir freuen uns über weitere Hinweise an kfvg@netcologne.de
  
  

Version vom 28. Januar 2013, 14:00 Uhr

Käthe Schlechter-Bonnesen [Käthe Schlechter] (* 1909; † 1986) war eine Kölner Gewerkschafterin


Leben und Wirken

Käthe Schlechter war eine der jungen gut ausgebildeten weiblichen Angestellten des frühen 20. Jahrhunderts, das Mädchen aus einer Nippeser Arbeiterfamilie besuchte die Aufbau- und Handelsschule. Und sie war ab 1926, also als ca. 15jährige, in der Sozialistischen Arbeiter-Jugend aktiv. Käthe Schlechter arbeitete zunächst mit 18 Jahren Buchhalterin in einem Eisenwarengroßhandel in der Görresstraße. Als sie sich dort über ungesetzliche Arbeitszeiten beschwerte, wurde die junge Frau entlassen. Nach einer Zeit der Arbeitslosigkeit und einer Übergangszeit bei der Kreisverwaltung Bergheim wurde sie Sekretärin von Wilhelm Sollmann, einem der bedeutendsten Kölner Sozialdemokraten der Weimarer Republik und zwischen 1911 und 1933 (Chef-)Redakteur der Rheinischen Zeitung in Köln. Ihr Arbeitsort war damals der Ursulaplatz 16. Bei Sollmann war sie u.a. für die Korrespondenz des früheren Innenministers zuständig, nahm seine Leitartikel am Telefon aus Berlin auf und wertete Depeschen aus.

Sie wohnte damals in Nippes, Neußer Straße 331 und damit in einem eher katholischen, aber arbeiterbewussten Milieu. Ihre Freizeit verbrachte sie weiterhin bei der SAJ und unternahm Wanderungen mit den anderen dort organisierten Jugendlichen. In dieser Zeit heiratete sie ihren Mann, ebenfalls SAJ-Mitglied. Ab und zu gab es laut ihrer Erinnerung Zusammenstöße mit NS-Schlägertrupps oder auch kommunistischen Jugendlichen. U.a. lud die Jugendgruppe einmal ins Volkshaus Severinstraße ein, um über die Nöte der Zeit zu sprechen, sie wurden jedoch von kommunistischen Jugendlichen durch Störungen boykottiert und als Sozialfaschisten beschimpft. Es kam zur Prügelei unter den linken Jugendlichen, damals nicht ungewöhnlich. In einem Interview äußerte sie ihre Frustration darüber, dass die SPD zu lange abwartete, statt das Aufkommen der Nazis intensiver zu bekämpfen.

Käthe Schlechter arbeitete ab 1931 im Druckhaus Deutz / August-Bebel-Haus, wohin die 'Rheinische' verzogen war und bekam dort 1933 Sollmanns Verhaftung mit. Kurz nach der Machtübernahme wurde die Rheinische Zeitung verboten.

"...und wir saßen in den Redaktionsräumen und machten Ordnung in unserem Archiv und in der Bibliothek. Weil man fürchtete, die Terrorgruppen würden die Zeitung stürmen, saß Nacht für Nacht eine Gruppe von Reichsbannerleuten im Keller des Gebäudes, mit starken Eichenknüppeln, um das Haus zu schützen. Als eine kleine Gruppe von SA-Leuten dann Anfang März wirklich das Haus stürmte, war kein Schutz da. ... Sie stürmten die Treppe herauf auf das Dach und hißten die Fahne mit dem Hakenkreuz. Ich rief verzweifelt per Telefon nach Polizeischutz, aber es kam niemand. Unsere Hausmeister drückten sie an die wand, es war eine Sache von fünf Minuten."[1]

Kurz darauf war ihr Arbeitsverhältnis gewaltsam beendet, sie musste abermals Arbeitslosenhilfe beantragen; auch ihr Mann war zu der Zeit erwerbslos. Inzwischen wohnte das junge Paar in Poll, sie wurden dennoch rasch als SPD-Anhänger bekannt und terrorisiert.

"Da wir in der Siegburger Straße im Parterre wohnten, kamen die SA-Trupps oder Hitlerjugend, oder wer immer es war, jeden Abend und trommelten auf die Rolläden unserer zwei Fenster und riefen: 'Seid ihr immer noch nicht krepiert?' Der Hausbesitzer hatte Angst um sein Haus und bat uns, uns doch eine andere Wohnung zu suchen."


So zogen sie zum Kleinen Griechenmarkt 4 um, trafen sich in einer benachbarten Schumacherwerkstatt mit Gleichgesinnten:
"Hier trafen sich ehemalige Gewerkschafskollegen, SAJler und Reichsbannerleute im Hinterstübchen und schmiedeten Pläne, was man gegen die Nazis machen sollte, und erzählte sich, wen sie wieder 'abgeholt' hätten usw. Immer wieder hörten wir, daß dieser oder jener Freund zum 'Verhör' gebracht worden war und nach schweren Mißhandlungen nach Hause gekommen war oder gar nicht. Wir mußten uns vorsehen, daß wir nicht auffielen."[2]

Durch kleine alltägliche Widerständigkeiten versuchten die Jugendlichen, ihre Haltung Alltag im NS kund zu tun. So gingen sie nicht zu Maiveranstaltungen, trafen sich weiterhin unter sich zum Wandern usf.

"Mir ist erst später klar geworden, daß das eigentlich nur eine Flucht darstellte, aber wir kamen uns damals sehr groß vor und meinten, das wäre schon Widerstand genug. ... Eines Tages, im August 1933, wir hatten gerade ein befreundeten Ehepaar zu Besuch, stürmte ein Trupp SA-Leute bei uns die Treppe herauf; sie forderten meinen Mann auf mitzukommen, ohne irgendeine polizeiliche Aufforderung. ... 'Nur zur einer Gegenüberstellung', hieß es, ins SA-Haus Friedensstraße [16]." Der Freund ging mit, die Frauen ließ man nicht vor, verweigerte ihnen auch bei der Polizei am Weidenbach die Auskunft. Nachts kam ihr Mann zurück, er war nach einem Genossen befragt worden. Der Kollege "saß da mit zerschlagener Nase und blutunterlaufenen Stellen im Gesicht. Er sollte Flugblätter verteilt haben. ... Erst nach stundenlangen Verhör mit Drohungen und drängenden Fragen, warum er als 'deutscher Mann' nicht auch längst zu Adolf Hitler gefunden hätte, und nachdem man die beiden Männer einige Stunden in den Keller gesperrt hatte, ließ man sie beide wieder frei ... ."[3]

Im September 1933 erhielt sie wieder eine Aushilfsstelle als Stenotypistin bei der GEPAG, des Dachverbandes der christlichen Konsumgenossenschaften EINTRACHT. Die Nazis erzwangen eine Zusammenlegung mit den bisher konkurrierenden freien (sozialistisch gesinnten) Konsumgenossenschaften HOFFNUNG. Es schloss sich eine Stelle bei den Mannesmann-Röhrenwerken an, wo sie in einem nazifeindlichen Kollegium sich nicht zu verstecken brauchte. Vor der Emigration Sollmanns traf sie ihn noch einmal in Saarbrücken, wohin Deutsche reisen durften.

"Man gab uns einen Packen auf Dünnpapier gedruckte kleine Vorwärts, die wir verteilen sollten. Wir brachten das Fahrradgestell auf und stopften die dünnen Blättchen hinein und löteten das Rohr wieder zu. Zu Hause löteten wir das Rohr wieder auf und holten die Blättchen heraus und bügelten sie wieder gerade. Aber nun wußten wir nicht, wem wir diese kleinen Vorwärts geben sollten. Die wir kannten und auf die wir uns verlassen konnten, wußten sowieso Bescheid, und die Blättchen an Fremde oder 'unsichere Kantonisten' zu geben, waren wir einfach zu bang. Denn unser Freundeskreis war immer kleiner geworden, weil der eine oder der andere plötzlich verschwand. Oft sagten die eigenen Angehörigen nicht, wo er war, und wenn er zurückkam, so mied er die früheren Freunde und schwieg eisern darüber, was man mit ihm gemacht hatte." [4]
1935, nachdem der Ehemann eine Stelle bei Siemens als Kabellöter begonnen hatte, bekam sie einen Sohn. Zu der Zeit lebte die kleine Familie am Theophanoplatz in Zollstock. Drei Jahre später und nochmals um 1941 brachte sie weitere Kinder zur Welt. Ihr Mann verstarb vermutlich während des Krieges, da sie um 1944 Waisenrente für die Kinder beantragte. Bei einem Angriff vom September 1944 starben die beiden kleinen Kinder in einem Mauenheimer Haus in der Nibelungenstraße, zusammen mit 37 anderen Kindern und Erwachsenen. Sie verfasste dazu ein Gedicht: Nach dem Bombenangriff. Darin appellierte sie u.a.
"Ihr Mütter all auf dieser Erde, in eurer Namen rufe ich in die Welt: Verflucht sollen sein für jetzt und alle Zeit, die diesen Krieg heraufbeschworen! Wenn ihr noch wollt, daß man euch Mütter nennt, beendet ihn!" [5]

In der NK-Zeit war die Witwe und alleinerziehende Mutter beim Bund-Verlag und zweitweilig Redakteurin der DGB-Zeitung Welt der Arbeit. Sie war Mitfrau in der Gewerkschaft Druck und Papier (heute ver:di).


Ehrung

Nach Käthe Bonnesen-Schlechter wird 2013 ein Raum im DGB-Haus benannt.


weblinks


Literatur

  • Interview und Dokumentenband: Matzerath, Horst (1987): "… vergessen kann man die Zeit nicht, das ist nicht möglich". Kölner erinnern sich an die Jahre 1929 - 1945 ; zum 40. Jahrestag des Kriegsendes. 3. Aufl. Köln.


Einzelnachweise

  1. Matzerath, S. 70
  2. Matzerath, S. 71
  3. Matzerath, S. 71/2
  4. Matzerath, S. 103
  5. abgedruckt in Matzerath, S. 259-261

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