Edith Mendelssohn-Bartholdy: Unterschied zwischen den Versionen

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Version vom 4. November 2012, 17:58 Uhr

Edith (Louise/Luisa Ida) Mendelssohn Bartholdy, geb. Speyer (6. Januar 1882 in Berlin; † 9. Juli 1969 in Köln) war Kunsthändlerin, Lehrerin, Publizistin, Sozial- und Kulturpolitikerin.


Familie und Ausbildung

Edith Speyer stammte aus einer traditonsreichen Bankiersdynastie, die aus Speyer kommend, seit dem 17. Jahrhundert in der Frankfurter Judengasse beheimatet war. Sie wuchs jedoch in Berlin auf. Ihr Bruder Wilhelm Speyer war Schriftsteller und verfasste z.B. den Roman "Das Glück der Andernachs" über das jüdische Bildungsbürgertum in Deutschland vor 1914.[1]

Das protestantisch getaufte Mädchen absolvierte eine höhere Mädchenschule und anschließend - gegen den Willen des Vaters - ab 1901 das Lehrerinnenexamen für höhere Töchterschulen.

Im November 1905 heiratete sie in Berlin-Schöneberg Ludwig (Carl) Mendelssohn Bartholdy, einen Bankier und Fabrikdirektor, der Enkel des Komponisten Felix Mendelssohn und Grossneffe der Komponistin Fanny Mendelssohn sowie Ururenkel des Moses Mendelssohn war.[2] Er wechselte später in die Industrie.

Berufstätigkeit

Edith Speyer arbeitete als staatlich geprüfte externe Lehrerin bei der Königin-Luise-Stiftung, einer Höheren Töchterschule mit angeschlossenem Lehrerinnenseminar in Berlin-Dahlem.[3]

Nach der Hochzeit beendete sie erzwungenermaßen ihre Berufstätigkeit ('Lehrerinnenzölibat'). Nach einer langen Weltreise (u.a. China, Japan, Nordamerika) verlegte das Paar seinen Wohnsitz 1910 nach Leipzig (zunächst Elsterstraße 40.) Hier engagierten sich beide intensiv im Kulturleben, Edith Mendelssohn Bartholdy vermachte einige der von ihr angekauften Asiatica der Gesellschaft der Freunde des Kunstgewerbemuseums.

Nach dem Tod des Mannes im Jahr 1918 ging sie wieder arbeiten. Ab 1921 verdiente die Witwe ihren Lebensunterhalt im Kunsthandel (Schwerpunkt 15/16 Jh., Kunstgewerbe). Sie wurde Inhaberin einer Produktionsfirma für Kunsthandwerk mit Verkaufsstelle in Leipzig-Gohlis.1932 leitete sie die Galerie Königshaus.

Politisches und kulturelles Engagement

In Leipzig ging Edith Mendelssohn Bartholdy sozialpolitischen wie kulturellen Tätigkeiten nach und nahm mehrere Ehrenämter an. 1914 wirkte sie beim Frauenpavillon der Weltausstellung für Buchgewerbe und Graphik BUGRA in Leipzig mit, 1916 wurde die begeisterungsfähige Frau, die einen eigenen Salon unterhielt, Mitbegründerin und Vorsitzende der Max-Reger-Gesellschaft. Ab 1919 war Edith Mendelssohn Bartholdy Vorstandsmitglied der liberalen Deutschen Demokratischen Partei [DDP], die sie zwischen 1919 und 1927 als Stadtverordnete im Leipziger Rat vertrat. Die kinderlose Frau setzte bei ihrer Sozialpolitik einen Schwerpunkt auf professionelle Säuglingsfürsorge und wurde 1914? Sachverständige bei der Reichsstelle des Kriegsamtes Berlin.[4] In diesem Kontext veröffentlichte sie auch ihre ersten Artikel. In Leipzig wurde sie zudem Mitglied in dem sexualreformerischen Verein für Mutterschutz. 1922/23 rief sie eine Winterhilfe gegen Inflationsfolgen mit ins Leben, 1924 die Frauenerwerbshilfe.

Um 1930 scheint sie engere Kontakte zum Völkerbund gehabt zu haben.[5]

Edith Mendelssohn Bartholdy interessierte sich schon früh für künstlerische Produktionen von Frauen.[6] 1927 gründete sie die bis heute bestehende GEDOK auf Reichsebene mit. Sie hatte ein enges Verhältnis zu deren Initiatorin Ida Dehmel. Die ehemalige Berlinerin wurde Leipziger Vorsitzende und machte die Ortsgruppe schnell zu einer der größten.[7] Ganz explizit wollte sie im internen Zirkel Kritikmöglichkeiten bieten.[8] Edith Mendelssohn Bartholdy zog 1932 nach Berlin, wo sie eine Verkaufsstelle für Volkskunst und Handwerk eröffnete. Auf Bitten von Ida Dehmel gründete sie auch dort eine GEDOK Ortsgruppe und übernahm das Amt der Vorsitzenden. [9] 1932 wurde ihr die Redaktion für ein GEDOK Buch anvertraut, das als "Werbemittel" gelten sollte. Es galt zu zeigen, "was die GEDOK-Künstlerinnen leisten."[10]

Als Jüdin musste sie im Frühjahr 1933 den Vorstandsposten aufgeben. Anscheinend waren aus taktischen Gründen in der GEDOK Berlin im März 1933 fast nur noch Jüdinnen gewählt worden, um den Vorstand um so leichter insgesamt kippen zu können, so die Vermutung von Edith Mendelssohn-Bartholdy. Das war jedoch das Aus für die Berliner Ortsgruppe. Schon zur Generalversammlung in Köln im November 1933 wurden Ida Dehmel und sie nicht mehr eingeladen. "Inoffiziel erhielten die Damen Nachricht, Toni Schütte habe auf der Versammlung einen Dank an Dehmel und Mendelssohn Bartholdy ausgesprochen."[11] Edith Mendelssohn zog sich daraufhin enttäuscht "ganz von der Gedok-Arbeit zurück". Diese Reaktion stieß, wie sie gegenüber der ebenfalls abgesetzten Ida Dehmel bitter bemerkte, bei Frauen wie der Bremer Vorsitzenden Tony Schütte auf Unverständnis.[12]

Nationalsozialismus

Über ihre Leben nach dem Beginn der Diktatur ist nicht viel bekannt. Bereits Ende 1933 gingen die Umsätze ihres Ladens deutlich zurück, dann wurde ihr die Arbeit als Kunsthändlerin untersagt.[13] Nach einer zweijährigen Vorbereitung ging die 50jährige Edith Mendelssohn Bartholdy 1938 in die Emigration nach England (London), kam dort u.a. mit Dr. Hilde Lion in Kontakt, die in Köln promoviert und 1934 die Stoatley Rough School für Flüchtlingskinder aus Europa gegründet hatte.[14] Sie unterrichtete dort einige Zeit. Edith Mendelssohn Bartholdy wurde wiederum Kunsthändlerin und fertigte zudem Übersetzungen an, z.B. für die Neue Schweizer Rundschau.

Nachkriegszeit

1953 nach ihrer Rückkehr nach Deutschland wählte sie – vermutlich aus privaten Gründen - Köln als neuen Wohnort (ihr verstorbener Mann hatte dort Verwandte) und baute dort zum dritten Mal eine Existenz als Kunsthändlerin auf. Sie wurde wiederum in der GEDOK aktiv, half diese 1953 in Köln neu zu gründen und blieb bis 1963 Fachbeirätin für Angewandte Kunst. Aus Verärgerung über die gesellschaftliche Entwertung des Alters fand die 70jährige ein neues Lebensthema. Zunächst erhielt sie im WDR ab Januar 1957 eine eigene Sendung „Der Lebensabend“, - die erste Sendung mit dem Schwerpunktthema „Altern“ wurde durch Bundespräsident Theodor Heuss eröffnet. Sodann wurde sie als Publizistin, Beraterin von Wohlfahrtsstellen und Referentin zur gefragten Spezialistin für das Thema Altern. In Kursen der Volkshochschule Köln sprach sie besonders mit Frauen über die Thematik (Das Altern erlernen). Anfang der 1960er Jahre gründete sie in Anwesenheit von Heinrich Lübke, des neuen Bundespräsidenten, den ersten Altenclub von Köln in Klettenberg, - eine Idee, die sie aus der englischen Emigration mitgebracht hatte. 1962 initiierte Edith Mendelssohn Bartholdy den Verein Kölner Altenclubs mit. 1969 zog sie in die Riehler Heimstätten. Sie liegt auf dem Melatenfriedhof begraben.

Ehrungen

  • 1969 Bundesverdienstkreuz
  • Ehrenmitglied der Bundes-GEDOK


Literatur von Edith Mendelssohn Bartholdy

  • Krippen im Kriege, in: Krippenzeitung 1917, S. 33 ff.
  • Industrie und Kinderfürsorge, in: Krippenzeitung 1917, S. 72 ff.
  • Neugründungen von Krippen. Voranschlag für Einrichtung und Betrieb einer Krippe, in: Krippenzeitung 1918, S. 7 ff.
  • Edith Mendelssohn Bartholdy: (Text in) Deutschland und der Völkerbund. Hrsg. von der Deutschen Liga für Völkerbund, Berlin Reimar Hobbing 1926
  • Edith Mendelssohn Bartholdy (unter Mitwirkung von Ida Dehmel, Alma Rogge, Käte Steinitz, Lissy Susemihl-Gildemeister): Die deutsche Künstlerin. Ein Gedokbuch, Leipzig Gemeinschaft der Vereinigungen Deutscher und Österreichischer Künstlerinnen und Kunstfreundinnen, 1933
  • Edith Mendelssohn Bartholdy (Hrsg. und Vorwort): Der Lebensabend, Gütersloh 1958
  • Edith Mendelssohn Bartholdy (Hrsg.): Souverän altern. Zur Psychologie des Alterns und des Alters, Zürich/Stuttgart 1962


Literatur und Quellen

  • Gemeinschaft der Vereinigungen Deutscher und Oesterreichischer Künstlerinnen und Kunstfreundinnen, Sitz Hamburg (Hg.) ([1932]): Mitglieder-Verzeichnis der Reichsgedok 1932/33. Leipzig: Brandstetter.
  • Robert Steimel: Kölner Köpfe, Köln 1958
  • Renate Calani: Edith Mendelssohn Bartholdy, in: Ein Kölner Almanach 1959/1960, S. 448-449
  • Rita Jorek: Edith Mendelssohn Bartholdy (1882-1969), - Sozial- und Kulturpolitikerin, in: Leipziger Lerchen. Frauen erinnern. 2. Folge, Leipzig Beucha 2000, S. 32-39 (= LOUISEum 11/2 Sammlungen u. Veröffentlichungen der Louise-Otto-Peters-Gesellschaft e.V. Leipzig) http://www.lda.de/sax/00117.HTM
  • R. Jorek, Sozialpolitisch engagiert. Edith Mendelssohn-Bartholdy, in: Wie gedacht – so vollbracht? Berichte vom 8. Louise-Otto-Peters-Tag, hrsg. Von Johanna Ludwig, Uta Schlegel und Elvira Pradel Leipzig 2000 (= LOUISEum 14)
  • Irene Franken: Edith Mendelssohn Bartholdy, in: Kölner Personenlexikon, hrsg. von Ulrich S. Soenius und Jürgen Wilhelm, Köln Greven 2008, S. 358
  • http://juden-in-sachsen.de/files/journal/jjis2011_05.pdf
  • Zernack, in: GEDOK Berlin (Hg.) (2010): POSITIONEN 1960 - 2010. Dokumentation anlässlich des Jubiläumsprojekts POSITIONEN 1960–2010. Schirmherrin Prof. Gesine Schwan. Unter Mitarbeit von Monika Bühr-Illius (Projektleitung) Erika Großmann und Nanna Zernack, Kirstin Nordhausen (Konzeption Redaktion), Anne Meckel.
  • Stadtgeschichtliches Museum Leipzig, I 0676, Neue Leipziger Zeitung, 17.1.1932 und 1.2.1932
  • Matz, Cornelia (2001): Die Organisationsgeschichte der Künstlerinnen in Deutschland von 1867 bis 1933. Phil. Diss. Eberhard-Karls-Universität Tübingen, Fakultät für Kulturwissenschaften. Online verfügbar unter http://tobias-lib.uni-tuebingen.de/volltexte/2001/417/pdf/matz_complete.pdf, zuletzt geprüft am 20.09.2012.
  • Personendokumentation Edith Mendelssohn Bartholdy in: Museum für Kunsthandwerk, Grassi Museum Leipzig
  • Mitteilungen des städtischen Museums des Kunsthandwerks zu Leipzig Grassimuseum und seines Freundes- und Förderkreises e. V., Heft 2, 1993, S. 170f.
  • Briefwechsel mit Ilse von Stach 1930-1931 in Universitäts- und Landesbibliothek Münster Dezernat Historische Bestände, obnlinefindbuch http://miami.uni-muenster.de/servlets/DerivateServlet/Derivate-5837/findlistestach.pdf
  • Korrespondez mit Mechtilde Fürstin Lichnowsky http://www.dla-marbach.de/index.php?id=58516
  • Deutsches Biographisches Archiv (DBA) II 875,408
  • Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg, Handschriften, Autographen, Nachlässe und Sonderbestände, Briefe an Ida Dehmel 12.11.1933 und 03.09.1936

weblinks

Einzelnachweise

  1. Zürich 1947
  2. geb. 1.1.1878 Berlin, Sohn des Chemikers Paul Mendelssohn Bartholdy, der 1867 die Aktiengesellschaft für Anilinfabrikation (Agfa) mitgegründet hatte. vgl. zur Familie http://de.wikipedia.org/wiki/Mendelssohn_(Familie); gegen Ende des Ersten Weltkriegs , am 14.10.1918, starb Ludwig Mendelssohn Bartholdy in Bolwsk (Bolowsk) bei Pleskau/Russland. Ab 1918 war sie demnach (Krieger-)Witwe.
  3. http://www.koenigin-luise-stiftung.de/
  4. "Große Sorgen bereitete Edith Mendelssohn Bartholdy die hohe Kindersterblichkeit in der Stadt Leipzig. Demzufolge gründete sie 1912 den Leipziger Krippen Verein e. V., der sich für die Schaffung von Krippenplätzen einsetzte, um Betreuungsmöglichkeiten für Kinder von arbeitenden Frauen anzubieten., zit. nach http://juden-in-sachsen.de/files/journal/jjis2011_05.pdf, S. 22
  5. Vgl. Protokoll der Bundestagung der GEDOK in Frankfurt wo E.M.B. von einem geplanten ‚Ausschuß für die schönen Künste’ im Völkerbund berichtete. Sie wurde anschließend beauftragt, Fühlung zu nehmen und Ida Dehmel ein Feedback zu geben.
  6. vgl. Jourek, E.M.B., S. 32
  7. Laut Zernack zählte diese schon ein Jahr nach der Gründung 383 Mitglieder: 165 Künstlerinnen und 216 Kunstfreundinnen, vgl. Zernack , S. 134.
  8. "In Leipzig fanden zum Beispiel viele kulturelle Darbietungen in einem kleinen Kreis statt, zu dem nur ausgewählte Gäste hinzugezogen wurden.", Matz, S. 291
  9. Anscheinend behielt sie noch einen Wohnsitz in Leipzig (Hauptmannstraße 10).
  10. zit. nach Matz, S.304
  11. Matz, S. 327 ? "Zum Ablauf der Tagung vermerkte letztere (E.B.M.) gegenüber Ida Dehmel: „Es scheint, daß es in Köln nur dem Takt und der Ruhe von Frau Dr. Bünger zu danken war, daß man überhaupt zusammen bleiben konnte. ... Ich frage mich manchmal, ob es nun noch einen Wert hat, die ganze Gemeinschaft aufrecht zu erhalten, da die Idee, aus der sie geboren ist, nicht mehr zu verwirklichen ist." zit. nach Matz
  12. vgl. Matz , S. 327 mit Verweis auf SUB Hamburg DA:Br.: M 928, Edith Mendelssohn Bartholdy an Ida Dehmel, 12.11.1933
  13. vgl. Matz, S. 327 und http://juden-in-sachsen.de/files/journal/jjis2011_05.pdf
  14. vgl. British Library of Political and Economic Science - STOATLEY ROUGH Stoatley Rough School Archives - 1923-2000 STOATLEY_ROUGH_SCHOOL_3/42 Miscellaneous correspondence 1941-1945 Scope and Content, online http://library-2.lse.ac.uk/archives/handlists/StoatleyRough/StoatleyRough.html


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