Die Grabsteine von Rachel und Sara

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Rachel Schneior und Sara Menachem waren zwei mittelalterliche Jüdinnen, deren Grabsteine 1959 bei Ausgrabungen auf dem Rathausgelände zu Tage befördert wurden.


1953 wurden Bombenschäden nahe des Rathauses behoben, dabei kamen zwei Kalksteinblöcke ans Licht. Weitere Fragmente jüdischer Grabsteine wurden am Kölner Rathaus, genauer im Mauerwerk der Seitenwand des gotischen Prachtraums Hansasaal entdeckt, die der Stabilität dienen sollten. Über das Leben der beiden auf den Grabsteinen erwähnten Frauen wissen wir fast nichts.

Sara Menachem

Rachel Schneior

Auch die einzige Information, die wir über die Kölner Jüdin Rachel Schneior erhalten können, steht auf einem Grabstein. Sie starb im Jahr 1323 christlicher Zeitrechnung. Die Inschrift lautet:

"Es starb Frau Rachel, Tochter des R. Schneior, am Dienstag dem 15. Elul des Jahres 83 des sechsten Jahrtausends. Ihre Seele sei geknüpft in den Bund des ewigen Lebens. Amen. Sela." Das jüdische Kalenderjahr war demnach 5083 seit der Erschaffung der Welt. Der 15. Elul wird auf Mitte/Ende August datiert.


Ort

Der Fundort liegt auf dem Areal der wichtigsten jüdischen Ausgrabungsstätte des Mittelalters nördlich der Alpen. Hier wird das Jüdische Museum, das Miqua stehen. Dieses wird bedeutende Zeugnisse jüdischen Lebens vorstellen, sicher auch einen der Grabsteine. Das Judenviertel lag – ggf. ohne Kentnis der Bewohner:innen - nahe dem antiken Regierungssitz der Römerzeit, dem Prätorium. Vor den Stadterweiterungen des Mittelalters lag es an der Peripherie der römischen Stadt. Hier umschloss die römische Stadtmauer sichtbar die Colonia, sie ist noch in der Marspfortengasse bzw. im Keller des Weinhauses Brungs erkennbar. Die sog. Ostmauer verlief östlich an den spätere so genannten Straßen Unter Taschenmacher, Bürgerstraße und Judengasse entlang und mündete in die Straße Obenmarspforten. Der Name Judengasse bzw. inter judeos ist seit 1091 überliefert. Ab 950 wurde dieses Areal erweitert: Zum Rhein hin und ab 1106 auch nach Süden (Oversburg). Zu Lebzeiten von Sara und Rachel verfügte Köln mit seiner Mauer über die massivste Befestigungsanlage nördlich der Alpen. Die Lage war gut, sowohl im Zentrum als auch nah zur Pfalz, dem Sitz des Erzbischofs und den wichtigsten Märkten gelegen. Um 1300 gab es nur eine symbolische Markierung des Viertels durch Pfosten, diese bezeichnete das Areal, in dem der Sabbat eingehalten werden musste. Damals lebten um 400 bis700 Jüdinnen und Juden in ca. 70 Haushalten. Erst im weiteren verlauf des 14. Jh. kam es zu einer physioschen Abtrennung, die vermutlich von der jüdischen Gemeinde selbst bezahlt wurde. Die vier Straßen, die ins jüdische Wohnviertel führten, konnten nun durch Pforten verschlossen werden. Es handelte sich jedoch nicht um ein Getto, da der Gemeindevorsteher (wie auch ein Stadtbote) über die Schlüssel zu den Toren verfügte. Aber das Judenviertel war nun deutlicher als zuvor abgetrennt.

Das vermutlich älteste Rathaus Deutschlands stand noch nicht, es wurde um 1330 begonnen, aber ein Vorläufer - bezeichnet als domus in quam cives conveniunt, Haus, in dem die Bürger sich versammeln, wird auf 1135/52 datiert. In einer Quelle von 1149 wird die Nähe zum Judenviertel angegeben (domus inter judeos sita).

Der Friedhof, auf dem die Steine einstmals zum ewigen Gedenken an die beiden Frauen aufgestellt worden waren, lag außerhalb der Stadtmauer im heutigen Stadtteil Raderberg (derzeitiger Standort des Großmarkts), das Territorium hiess - sicher ohne dass dies abwertend gemeint war - Am toten Juden bzw. auf kölsch Dude Jüd.


Die Lebenszeit der beiden Frauen

Zwar datiert die die älteste Urkunde, in der die jüdische Gemeinde Kölns (‚Deutschlands‘) erwähnt wird, von 321, doch fehlen in den folgenden Jahrhunderten Quellen für ein kontinuierliches ziviles und religiöses Leben. Der Text der kaiserlichen Quelle referenziert zudem nur auf Männer. Spuren über jüdische Frauen sind in der Regel nochmals spärlicher zu finden als die über Juden. So sind wir auf Frauennamen aus den Liegenschaftsakten (liber judaeorum) und auf wenige Artefakte angewiesen. Das Schreinsbuch dwer Judengemeinde ist bis 1135 zurückzuverfolgen und damit eines der ältesten Kataster des deutschen Reiches. Hierinm finden eir Namen von Frauen, die Liegenschaften kauften oder verkauften, erben durften sie diese wohl nicht.

Spätestens als sich das Fränkische Reich nach Osten ausweitete, bildeten sich erneut jüdische Gemeinden am Rhein. Auch in Köln wuchs eine 'heilige' Gemeinde heran, d.h. eine vollgültige, die alle Institutionen und Instanzen hatte: Synagoge, Friedhof, Mikwe und sicher auch einen rituellen Metzger mit Bank im sog. Fleischhaus. Im 11. Jh. lebten etwa 600 Jüdinnen und Juden im eigenen Viertel. In der ca. 1012 belegten Synagoge, ggf. einem Ersatz für einen früheren Kultraum, existierte noch kein Gebäude für die betenden Frauen, keine sogenannte Frauenschul, diese wird auf spätere jJahrhunderte datiert. Dass Männer und Frauen getrennt beteten wurde damit begründet, dass schon in der antike Frauen nur den zweiten Hof des Tempels in Jerusalem betreten durften, niemals aber das Allerheiligste. So entwickelte sich die Tradition von eigenen getrennten Gebäuden, Frauenbereichen innerhalb der Synagoge oder auch Balkons wie in der Roonstraße.

Ende des 11. Jh., 1096, hatte es eine grausame Verfolgung und Ermordung der Kölner Judenheit im Gefolge des ersten Kreuzzugs gegeben. Die Gemeindemitglieder wurden vertrieben, gefoltert, ermordet. Manche konnten sich retten , wie der Dichter Elieser ben Nathan schrieb: „Da erschrak den Kölner Juden das Herz zu Tode, und sie flüchteten sich ein jeder in das Haus eines christlichen Bekannten und blieben dort.“ Einige wenige Juden und Hüdinnen kehrten nach Köln zurück. 1135 lebten weniger als 300 Personen im Judenviertel, aber neue kamen hinzu. War die Erinnerung an das Massaker in den Familien Schneior und Menachem noch lebendig? Kurz danach wurden die jüdischen Männer zur Verteidigung der Stadtmauer gemeinsam mit denen der Pfarre St. Laurentius verpflichtet. - Juden und Jüdinnen waren im Mittelalter eine Minderheit innerhalb der Ansiedlung von ca. 35.000 bis 40.000 christlichen Bewohnerinnen. Im 12. Jh. gab es ein relativ einvernehmliches Miteinander, es sind viele Rechtsgeschäfte dokumentiert. Die jüdische Bevölkerung ging überwiegend dem Beruf der Händler:in nach, primär dem des Geldveleihs gegenh Zinsen, was bei den Christ:innen sanktioniert war. Die meisten anderern Berufe waren ihnen verschlossen, zumal nach Gründung der Zünfte 1397. Auch Frauen verstanden sich nach Quellen aus anderen Städten auf das Geldverleihen. Sicherheit wurde erkauft durch die Zahlung hoher Geldsummen an verschiedene Obrigkeiten, die sie vor Verfolgung schützen sollten: Rat, Erzbischof, König bzw. Kaiser, ggf. regionale Adelige).


Bis zum Beginn des 14. Jahrhunderts erlebte die Kölner jüdische Gemeinde ihre Hochzeit. Es gab einen Synagogen-Neubau, zu dem nun auch eine Mikwe, eine Talmudschule, ein Hospital, also eine Herberge, ein großes Festhaus, ein Kaltbad und eine Bäckerei gehörten. Köln galt als ein Zentrum des jüdischen Lernens, die (männlichen) liberalen "Weisen von Köln" waren Autoritäten der talmudischen Gelehrsamkeit. Es soll eine der größten jüdischen Mittelalterbibliotheken gegeben haben.[1] dann stieg der Antisemitismus wieder an. 1317 startete Papst Johannes XXII. eine massive Kampagne gegen das Judentum und erklärte, deren 'Wucherzinsen' müssten nicht zurückgezahlt werden. Als sich 1320 einige Kölner vor den Verpflichtung drücken wollten und auf den Papst verwiesen, griff der Kölner Rat ein und verhandelte mit den jüdischen Geldverleiher:innen zur Verringerung der Schulden. Im gleichen Jahr brachten die Domherren auf einem hölzernen Chorstand des noch in den Anfängen stehenden Kölner Dombaus eine sogenannte "jüdische Sau" an. Andererseits ließ Erzbischof Engelbert II. von Falkenburg gewisse erzbischöfliche "Judenprivilegien" deutlich sichtbar an der Außenseite der Schatzkammer des Doms in Stein gemeißelt anbringen, darunter die Unversehrtheit des Friedhofs.

Nach einer Bestimmmung des 4. Laterankonzil im Jahr 1215 sollten alle Jüdinnen und Juden eine Markierung auf ihrer Kleidung tragen, z.B. einen gelben Kreis. Dies wurde in Köln aber vermutlich erst zwei Jahrhunderte später durchgesetzt.


Literatur über Jüdinnen im Mittelalter


weblinks


Einzelnachweise

  1. Viele liturgische Gedichte im aschkenasischen Ritual wurden von Kölner Dichtern verfasst. vgl. Geschichte der Juden in Köln - https://de.qaz.wiki/wiki/History_of_the_Jews_in_Cologne.

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