Amalie Banner

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Amalie Banner (* 25. Februar 1923 in Köln; † 1941 in Warschau) war ein Mädchen, das bei der Polenaktion verhaftet und ins Warschauer Getto deportiert wurde.

Familie und Kindheit

Das kurze Leben der Amalie Banner, genannt Malchen, begann am 25. Februar 1923 in der Drachenfelsstraße 16 in Köln-Sülz.[1]

Sie hatte eine ein Jahr jüngere Schwester Selma. Der Vater Simon war aus Polen nach Köln migriert oder vor einem Pogrom geflohen. Auch die Mutter Hene/Hele/helene Beile Banner, geb. Alter, war eine sog. Ostjüdin. Die Familie brach auseinander, als Amalie erst 5 Jahre alt war. Die Mutter wurde 1928 in eine Nervenheilanstalt eingeliefert, starb nach kurzer Zeit. Da wiederum der Vater als Vertreter quer durchs Land reiste, war er nicht in der Lage, sich um Amalie und Selma zu kümmern. Er brachte die Schwestern ins Abraham-Frank-Haus (AFH), ein jüdisches Waisenhaus an der Aachener Straße 443. Das durchaus auch Kinder aufnahm, deren Eltern noch lebten, sich aber nicht um sie kümmern konnten. Sie blieben dort nur unter der Woche, am Wochenende holte der Vater sie ins Elternhaus. Dann kümmerte er sich aufmerksam um sie. Bild https://web.archive.org/web/20190110183602/http://www.bilderbuch-koeln.de/Fotos/braunsfeld_israelitisches_waisenhaus_in_historisch_schwering_62958

Das Waisenhaus war eine Gründung des Rabbiners Dr. Abraham Frank, der Januar 1876 bis zu seinem Tod 1917 Rabbiner an der Synagoge Roonstraße war. Er vertrat einen Kurs zwischen Orthodoxen und Reformer:innen. U.a. erklärte er sich damit einverstanden, dass es - was der Gemeindevorstand 1904 beschlossen hatte, in seinen jüdischen Gottesdiensten Orgelspiel gab, während ein anderer Rabbiner an die Synagoge Glockengasse wechselte. Abraham Frank sammelte selbst große Summen, um das israelitische Waisenhaus erbauen lassen zu können. Er machte seine Ehefrau Therese Abraham zur ersten Vorsitzenden der Waisenstiftung. 1910 wurde es eingeweiht und nach seinem Initiator benannt.

Leben als Jugendliche

Dort ging es den Schwestern gut, besonders Malchen war im Haus sehr beliebt. Bereits seit 1924 kümmerte sich die neue Leiterin Therese Wallach um die Kinder und wurde rasch eine vertrauensperson. Corbach beschreibt sie aus den Erinnerungen von Zeitzeug:innen als junge einfühlsame Frau.[2] Von 1929 bis 1935 arbeitete dort auch Fanny Meyer, zu der Amalie Banner besonderes Vertrauen fasste. „Sie kam aus der Jugendbewegung und brachte mit jugendlichem Enthusiasmus viele neue Ideen in die Erziehungsarbeit.“[3] Fanny Meyer wanderte nach Palästina aus, aber zu ihr hielt Amalie Banner noch lange brieflichen Kontakt. Tagsüber besuchte das Mädchen die Israelitische Volksschule Lützowstraße. Dies war die größte öffentliche jüdische Volksschule Deutschlands.[4] In der Freizeit nahm Amalie Ballettunterricht bei Susanne Levinger und zeigte große Begabung, sie plante eine Karriere als Tänzerin. 1934 erlebte sie jedoch einen Schicksalsschlag: Nachdem Knochenkrebs festgestellt worden war, musste ihr mit nur 11 Jahren das rechte untere Bein amputiert werden. Ein künstliches Bein beendete den Traum vom Tanzen. Susanne Levinger holte das Mädchen für einige Zeit in ihr Haus und gab ihr neuen Lebensmut. Zudem munterten ihre MitschülerInnen aus der Lützowstraße sie wieder auf. Sie lernte auf Anregung von Susanne Levinger Zeichnen. Sie erhielt eine Prothese, wurde ganz gesund konnte nach der Rückkehr ins Heim für vier Jahre ein ‚normales‘ Leben führen. Nach der Schule wollte sie 1938 eine Schneiderlehre beginnen, die ihr bei der Auswanderung helfen sollte. Selma Banner sollte eine Haushaltungslehre absolvieren.

Deportation, Leben und Sterben im Warschauer Getto

Doch dazu kam es nicht mehr. Weil ihr Vater Simon Banner, ein sogenannter „Ostjude“, als Pole galt (er besaß die polnische Staatsangehörigkeit), wurde die kleine Familie auf Anweisung Heinrich Himmlers verhaftet, - die beiden Mädchen sogar mit einer Erkältung aus den Krankenbetten geholt.[5] Sie wurden mit ca 600 anderen polnischen Kölner:innen an die deutsch-polnische Grenze deportiert und Ende Oktober 1938 abgeschoben. Diese sogenannte „Polen-Aktion“, die insgesamt 17.000 im Deutschen Reich lebende polnische Jüdinnen und Juden betraf, kam völlig überraschend, war für manche jedoch mit der Hoffnung verbunden, den antisemitischen Verfolgungen durch NS-Deutschland entkommen zu sein. Malchen hingegen scheint diesen Optimismus nicht geteilt zu haben. Die Familie musste für mehrere Wochen mit anderen Betroffenen der Deportation eine entbehrungsreiche Zeit im "Niemandsland" („Behelfslager“ Neu-Bentschen) zubringen, dem Territorium zwischen der deutschen und der polnischen Grenze. Dann konnte sie zu einer Tante nach Posen ziehen, und 1939 mit der Tante nach Warschau. Die beiden Schwestern, 15 und 14 Jahre alt, begannen dort die Ausbildung zur Modistin. Kurz darauf fand der Überfall auf Polen statt. 1940 wurden sie als Juden/Jüdinnen in das von der deutschen Besatzung errichtete Getto getrieben. Sie lebten abgeschlossen und unter schlechtesten Lebensbedingungen in zwei feuchten Kellerräumen; es gab kaum Möglichkeiten, einen Lebensunterhalt zu erwerben, besonders nicht für Männer. Ein wenig Geld konnten Amalie und Selma verdienen: Sie fertigten Strickarbeiten an, doch der karge Lohn der beiden reichte nur für zwei Mahlzeiten pro Woche. Sie verkauften die Kleidung, die sie auf dem Transport getragen hatten. Die Tante scheint früh verstorben zu sein, sie mussten nun zu dritt in einem Kellerraum auf zwei Feldbettchen ‚hausen‘. Heizung und Strom konnten sie sich nicht leisten, die Winter waren kalt und sie lagen meist im Bett und konnten oft die Stricknadeln nicht halten. Amalie nahm zwischen Juli bis November 1941 von dem wenigen Geld kleine Summen weg, um erschütternde Einzelheiten in – abgemilderten - Briefen an ihre früheren Kölner Betreuerinnen zu schildern und Hilfe zu erflehen. So bat sie Susanne Levinger um die Zusendung von Lebensmittelpaketen, weil die Familie Hunger litt.[6] Auch an Therese Wallach schrieb sie Briefe mit der Bitte um Pakete. Die wenigen Pakete kamen zu spät. Malchens letzter Brief an ihre frühere Tanzlehrerin Susanne Levinger trägt das Datum des 28. November 1941. Danach gibt es keine Nachricht mehr von ihr. Manche der Briefe kamen erst Jahre später bei den Adressatinnen an. Vermutlich starb die ganze Familie, ob an Erschöpfung, Hunger, Kälte oder Krankheit und wie lange das Elend anhielt ist nicht bekannt.


Literatur über das Waisenhaus und Amalie Banner

  • Corbach, Dieter: Köln und Warschau sind zwei Welten. Amalie Banner. Leiden unter dem NS-Terror, Scriba Verlag Köln 993 (= Spuren jüdischen Wirkens: 5)
  • Soénius, Ulrich; Wilhelm, Jürgen (Hrsg.): Kölner Personen Lexikon. Köln 2008, S. 607.
  • Corbach, Dieter und Irene: „Amalie Banner und das jüdische Leben in Köln“. Manuskript vom 25.02. 1986 (Ordner Einzelbiografien Kölner Frauengeschichtsverein)

weblinks

https://museenkoeln.de/ns-dokumentationszentrum/default.aspx?s=2523&sfrom=1196&stid=37&buchstabe=B Stolpersteine | Erinnerungsmale für die Opfer des Nationalsozialismus


Einzelnachweise

  1. Das Wissen über das Mädchen verdankt Köln dem evangelischen Religionslehrer und Synodalbeauftragten für das christlich-jüdische Gespräch Dieter Corbach und seiner Frau Irene Corbach, die von den Banners erstmals in Israel Kenntnis erlangten; vgl. Corbach, Dieter und Irene: „Amalie Banner und das jüdische Leben in Köln“ Manuskript vom 25.02. 1986, Bl. 1. Das Ehepaar Corbach schrieb: „Wir sind der Meinung, daß das Schicksal v on Malchen für das Leiden vieler jüdischer Mitbürger steht und daß man ihr Schicksal unbedingt weitererzählen sollte, denn nur am konkreten Beispiel kann man ein wenig nachempfinden, welches Unrecht damals geschah.“ Ihr Vorschlag, eine Schule am damaligen Standort des Waisenhauses nach dem Mädchen zu benennen, kam nicht durch.
  2. vgl. Corbach, Dieter und Irene, Manuskript, Bl. 2.
  3. vgl. Corbach, Dieter und Irene, Manuskript, Bl. 2.
  4. vgl. Corbach, Dieter und Irene, Manuskript, Bl. 1.
  5. vgl. Corbach, Dieter und Irene, Manuskript, Bl. 2/3.
  6. 1941 verhungerten im Warschauer Getto monatlich etwa 5000 Menschen.


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