"Möhnehaus" Im Sionsthal: Unterschied zwischen den Versionen

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(Eingefügt Zitat und Beleg aus Adressbuch der Rechtsschutzstelle für Frauen, Cöln 1905)
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Das "Möhnehaus" war während der Weimarer Republik und NS-Zeit ein städtisches Wohlfahrtshaus für arme ältere Frauen, die im Volksmund mit dem kölnischen Begriff ''Möhn'' benannt wurden. <ref>Laut Wrede ist der Begriff ''Möhn'' ein vielschichtiger Begriff, der für Tanten, Muhmen, auch Uehme, für unverheiratete Frauen im Sinn von Juffere wie auch als ehrende Anrede für verheiratete Frauen, z.B. von der Dienstmagd, verwendet wurde. Hier gemeint ist die sog. ''Kuventsmöhn'', eine meist ältere Bewohnerin eines Stiftes für Frauen, oft mit der Vorgeschichte eines Kölner Beginenkonventes. Vgl. Adam Wrede: Einträge ''Möhn'' und ''Kuventsmöhn'', Neuer kölnischer Sprachschatz, Bd. 2 , Greven, Köln 1958, S. 200/S. 121.</ref> Die Straße, in der das Wohlfahrtshaus für arme ältere Frauen stand, wird heute Im Siontal geschrieben.  
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Das "Möhnehaus" war im 19. Jahrhundert und während der NS-Zeit ein städtisches Wohlfahrtshaus für arme ältere Frauen, die im Volksmund mit dem kölnischen Begriff ''Möhn'' benannt wurden. <ref>Laut Wrede ist der Begriff ''Möhn'' ein vielschichtiger Begriff, der für Tanten, Muhmen, auch Uehme, für unverheiratete Frauen im Sinn von Juffere wie auch als ehrende Anrede für verheiratete Frauen, z.B. von der Dienstmagd, verwendet wurde. Hier gemeint ist die sog. ''Kuventsmöhn'', eine meist ältere Bewohnerin eines Stiftes für Frauen, oft mit der Vorgeschichte eines Kölner Beginenkonventes. Vgl. Adam Wrede: Einträge ''Möhn'' und ''Kuventsmöhn'', Neuer kölnischer Sprachschatz, Bd. 2 , Greven, Köln 1958, S. 200/S. 121.</ref> Die Straße, in der das Wohlfahrtshaus für arme ältere Frauen stand, wird heute Im Sionstal geschrieben.  
  
  
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==Städtisches Kleinrentnerinnenheim==
 
==Städtisches Kleinrentnerinnenheim==
Bereits in der Weimarer Republik gehörte das Gebäude zum Bestand des Wohlfahrtsamtes der Stadt Köln. Ggf. sorgte [[Hertha Kraus]] für den Ankauf. Das Haus lag in einer verrufenen Gegend, nicht weit entfernt von der Bordellstraße oder auch "Puffstraße" genannten Nächelsgasse.  
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Im 19. Jahrhundert gelangte das Gebäude in den Bestand des Wohlfahrtsamtes der Stadt Köln.
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1905 wird es als "Konvent für alleinstehende Frauen" im Adressbuch der Rechtsschutzstelle für Frauen erwähnt.<ref>Städtische und private Wohlfahrtseinrichtungen der Städte Cöln, Mülheim am Rhein und Kalk. Hg. v. d. Vereinigung 'Rechtsschutzstelle für Frauen, Cöln'. Zusammengestellt von Mathilde Scholl. Cöln: Selbstverlag der Vereinigung 'Rechtsschutzstelle für Frauen' 1905, S. 7.</ref> Als Zeck des Konvents wird dort genannt: "Freie Wohnungen für weibliche Personen über 60 Jahre. Diese bekleiden und beköstigen sich selbst, teils aus Arbeitsverdienst und eigenen Ersparnissen, teils aus gewährten Spenden von 3-9 Mk. monatlich. Armenärztliche Behandlung und Heilmittel werden unentgeltlich gewährt." <ref>Ebd.</ref> 
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Das Haus lag in einer verrufenen Gegend, nicht weit entfernt von der Bordellstraße oder auch "Puffstraße" genannten Nächelsgasse.  
  
 
Eine Zeitzeugin erinnert sich, dass in der Zeit des Nationalsozialismus "sehr arme alte Rentnerinnen" dort wohnten. Sie vermutet, dass der Name ''Möhnehaus'' diese Frauen gemeint habe. Er ist aber gegebenenfalls wesentlich älter.  In der Kölner Südstadt gab es traditionell viel Armut und viele karitative Einrichtungen.<ref>vgl. Annette Nottelmann: Von Beginen und Bayenamazonen. Hrsg. von Kölner Frauengeschichtsverein, Köln 1994</ref> In der städtischen Einrichtung entwickelte sich nach Erinnerung von Ria Oepen in den Jahren um 1937/1940 "eine Art Hilfs- und Arbeitsgemeinschaft": Die dort wohnenden "Möhnen" übernahmen die Versorgung der Kinder der Prostituierten. Die Rentnerinnen ließen die Kinder bei sich schlafen und versorgten sie regelmäßig mit Essen. Bei Krankheit pflegten sie sie. Dafür bekamen sie Geld. Alle profitierten: Die Kinder waren versorgt. Die sehr armen Rentnerinnen verdienten sich ein Zubrot, und die im Sexgewerbe arbeitenden Frauen gaben ihre Kinder in eine behütete Umgebung.  
 
Eine Zeitzeugin erinnert sich, dass in der Zeit des Nationalsozialismus "sehr arme alte Rentnerinnen" dort wohnten. Sie vermutet, dass der Name ''Möhnehaus'' diese Frauen gemeint habe. Er ist aber gegebenenfalls wesentlich älter.  In der Kölner Südstadt gab es traditionell viel Armut und viele karitative Einrichtungen.<ref>vgl. Annette Nottelmann: Von Beginen und Bayenamazonen. Hrsg. von Kölner Frauengeschichtsverein, Köln 1994</ref> In der städtischen Einrichtung entwickelte sich nach Erinnerung von Ria Oepen in den Jahren um 1937/1940 "eine Art Hilfs- und Arbeitsgemeinschaft": Die dort wohnenden "Möhnen" übernahmen die Versorgung der Kinder der Prostituierten. Die Rentnerinnen ließen die Kinder bei sich schlafen und versorgten sie regelmäßig mit Essen. Bei Krankheit pflegten sie sie. Dafür bekamen sie Geld. Alle profitierten: Die Kinder waren versorgt. Die sehr armen Rentnerinnen verdienten sich ein Zubrot, und die im Sexgewerbe arbeitenden Frauen gaben ihre Kinder in eine behütete Umgebung.  

Version vom 13. Mai 2019, 11:14 Uhr

Das "Möhnehaus" war im 19. Jahrhundert und während der NS-Zeit ein städtisches Wohlfahrtshaus für arme ältere Frauen, die im Volksmund mit dem kölnischen Begriff Möhn benannt wurden. [1] Die Straße, in der das Wohlfahrtshaus für arme ältere Frauen stand, wird heute Im Sionstal geschrieben.


Marien-Konvent

Am Ort des Wohlfahrtshauses (Im Sionsthal 54/ Ecke Im Weichserhof) gab es seit dem Mittelalter den katholischen Marien-Konvent. Gegründet worden war er als Beginen-Konvent und hatte als einer von wenigen Stiftungen bis ins 20. Jahrhundert überlebt. Das Haus war stets im Sinne der ursprünglichen Stiftung genutzt worden.


Städtisches Kleinrentnerinnenheim

Im 19. Jahrhundert gelangte das Gebäude in den Bestand des Wohlfahrtsamtes der Stadt Köln. 1905 wird es als "Konvent für alleinstehende Frauen" im Adressbuch der Rechtsschutzstelle für Frauen erwähnt.[2] Als Zeck des Konvents wird dort genannt: "Freie Wohnungen für weibliche Personen über 60 Jahre. Diese bekleiden und beköstigen sich selbst, teils aus Arbeitsverdienst und eigenen Ersparnissen, teils aus gewährten Spenden von 3-9 Mk. monatlich. Armenärztliche Behandlung und Heilmittel werden unentgeltlich gewährt." [3]

Das Haus lag in einer verrufenen Gegend, nicht weit entfernt von der Bordellstraße oder auch "Puffstraße" genannten Nächelsgasse.

Eine Zeitzeugin erinnert sich, dass in der Zeit des Nationalsozialismus "sehr arme alte Rentnerinnen" dort wohnten. Sie vermutet, dass der Name Möhnehaus diese Frauen gemeint habe. Er ist aber gegebenenfalls wesentlich älter. In der Kölner Südstadt gab es traditionell viel Armut und viele karitative Einrichtungen.[4] In der städtischen Einrichtung entwickelte sich nach Erinnerung von Ria Oepen in den Jahren um 1937/1940 "eine Art Hilfs- und Arbeitsgemeinschaft": Die dort wohnenden "Möhnen" übernahmen die Versorgung der Kinder der Prostituierten. Die Rentnerinnen ließen die Kinder bei sich schlafen und versorgten sie regelmäßig mit Essen. Bei Krankheit pflegten sie sie. Dafür bekamen sie Geld. Alle profitierten: Die Kinder waren versorgt. Die sehr armen Rentnerinnen verdienten sich ein Zubrot, und die im Sexgewerbe arbeitenden Frauen gaben ihre Kinder in eine behütete Umgebung. Es soll sich eine gewisse menschliche Nähe auch unter den Frauen entwickelt haben: Die Möhnen hörten zu, wenn die Prostituierten sich Kummer und Sorgen von der Seele reden wollten.

Ende der Einrichtung: Zerstörung der Hauses

Laut der Erinnerung von Ria Oepen wurde das Gebäude beim Peter-und-Paul-Angriff in der Nacht zum 29. Juni 1943 zerstört, dem wesentliche Teile der östlichen Südstadt zum Opfer fielen.[5] Im Adressbuch von 1956 existiert es jedoch noch und wird als im Eigentum der Stadt genannt, mit männlichen und weiblichen BewohnerInnen. Die Reste des Gebäudes mussten dem Bau der Severinsbrücke weichen, die Ria Oepens Auffassung nach das ganze Severinsviertel teilte und verschandelte.


Literatur über Frauenleben in der Südstadt

  • Annette Nottelmann: Von Beginen und Bayenamazonen. Hrsg. von Kölner Frauengeschichtsverein, Köln 1994.


Mündliches Dokument

  • Ria Oepen meldete sich nach Veröffentlichung der Broschüre des Kölner Frauengeschichtsvereins über die Südstadt, woraufhin Edith Gaedecke ein Interview mit ihr führte.[6]


Einzelnachweise

  1. Laut Wrede ist der Begriff Möhn ein vielschichtiger Begriff, der für Tanten, Muhmen, auch Uehme, für unverheiratete Frauen im Sinn von Juffere wie auch als ehrende Anrede für verheiratete Frauen, z.B. von der Dienstmagd, verwendet wurde. Hier gemeint ist die sog. Kuventsmöhn, eine meist ältere Bewohnerin eines Stiftes für Frauen, oft mit der Vorgeschichte eines Kölner Beginenkonventes. Vgl. Adam Wrede: Einträge Möhn und Kuventsmöhn, Neuer kölnischer Sprachschatz, Bd. 2 , Greven, Köln 1958, S. 200/S. 121.
  2. Städtische und private Wohlfahrtseinrichtungen der Städte Cöln, Mülheim am Rhein und Kalk. Hg. v. d. Vereinigung 'Rechtsschutzstelle für Frauen, Cöln'. Zusammengestellt von Mathilde Scholl. Cöln: Selbstverlag der Vereinigung 'Rechtsschutzstelle für Frauen' 1905, S. 7.
  3. Ebd.
  4. vgl. Annette Nottelmann: Von Beginen und Bayenamazonen. Hrsg. von Kölner Frauengeschichtsverein, Köln 1994
  5. vgl. ein Bild von der Nachbarstrasse [Im Weichserhof] von Manfred Weichert. Die Zeitzeugin erinnert sich, dass in der Landsbergstrasse drei Häuser stehen blieben, die die Duselhäuser genannt wurden, weil sie 'Glück hatten'.
  6. Gedächtnisprotokoll im Ordner 'Südstadt', einsehbar im Archiv des Kölner Frauengeschichtsvereins.


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